Katholisch-apostolische Gemeinden

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Edward Irving, ca. 1823 Wegbereiter der katholisch-apostolischen Gemeinden

Die katholisch-apostolischen Gemeinden sind eine christliche Gemeinschaft, die sich ab 1831 in England bildete. Sie zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass sie keiner Konfession angehören (wollen). Von der Neuapostolischen Kirche und vielen weiteren späteren apostolischen Gemeinschaften werden die katholisch-apostolischen Gemeinden als "Mutterkirche" angesehen.

Geschichte

Ausgangspunkt der katholisch-apostolischen Gemeinden war eine endzeitlich geprägte Erweckungsbewegung, die sich innerhalb verschiedener christlicher Kirchen und Glaubensgemeinschaften Großbritanniens entwickelte.

Katholisch-apostolische Bewegung

Albury-Konferenz im Jahr 1826
Apostel John Bate Cardale (1802-1877)
Die Apostel der Katholisch-Apostolischen Gemeinden. Duncan MacKenzie fehlt.

Die Geschichte der katholisch-apostolischen Gemeinden ist ohne die Ereignisse im Vorfeld nicht zu verstehen. Eine besondere Rolle spielten die Schriften von James Haldane Stewart, der darin aufforderte, dass die Christenheit um eine erneute Ausgießung des Heiligen Geistes beten sollte. Seine Botschaft fiel in vielen christlichen Kreisen auf fruchtbaren Boden. Es kam in den 1820er Jahren zu Aufbrüchen und Erweckungen in Deutschland (Karlshuld), Schottland und England. Diese Erweckungen geschahen unabhängig von einander, verknüpften sich jedoch in Großbritanien in der Folgezeit untereineinander. Eine große Rolle spielte u.a. der schottische Prediger Edward Irving. Theologische Schwerpunkte dieser Bewegung (die als katholisch-apostolische Bewegung umschrieben werden kann) waren:

In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Bewegung stehen die sogenannten Albury-Konferenzen.

In Teilen dieser Bewegung kam es ab 1830 zu einzelnen Gemeindegründungen. Unter dem Eindruck endzeitlicher Prophezeiungen wurden zwischen 1832 und 1835 zwölf Persönlichkeiten aus Großbritannien zu Aposteln berufen, deren Aufgabe es sein sollte, die Kirche auf das zweite Kommen Jesu vorzubereiten.

"Kirchwerdung"

Die Apostel versammelten sich in Albury und verfassten das sogenannte Testimonium, das sie verschiedenen weltlichen und kirchlichen Häuptern der damaligen Welt überreichten.

Der Großteil der ersten Amtsträger entstammte der Kirche anglikanischen Kirche und der Kirchen presbyterianischen Kirche Schottlands. Aber auch lutherische, reformierte und römisch-katholische Geistliche fanden hinzu.

Schisma 1863

1863 kam es zu einem Schisma, aus dem sich zunächst die Allgemeine christliche apostolische Mission und ab 1878 die Neuapostolische Kirche (NAK) entwickelte. Auch viele andere Apostolische Gemeinschaften führen ihre Wurzeln auf die KAG zurück. Hauptgrund für das Schisma war die unterschiedliche Auffassung über den Fortbestand des "zweiten Apostolats". Die englischen Apostel hatten entschieden, dass sie keinen Ratschluss Gottes erkennen könnten, der eine Fortführung bzw. Ersetzung bei ihrem Tod legitimierte. Dem widersprachen einzelne Amtsträger aus Deutschland, wo sich nach England die meisten katholisch-apostolischen Gemeinden gebildet hatten, insbesondere der deutsche Prophet Heinrich Geyer. Er berief neue Apostel, was von den amtierenden englischen Aposteln verworfen wurde und später zu seinem Ausschluss führte. Die katholisch-apostolischen Gemeinden distanzieren sich nach wie vor von allen aus ihnen entstandenen Gemeinschaften.

Die Gemeinden nach 1901

Katholisch-apostolische Eucharistie in Stuttgart (um 1930)
Johannes Rose, letzter Beauftragter Engel in Riga, nach einer Beerdigung im Mai 1936

Seit dem Tod des letzten Apostels, Francis Valentine Woodhouse, am 3. Februar 1901 können keine Versiegelungen und Ordinationen mehr vorgenommen werden. Die katholisch-apostolischen Gemeinden wurden daher zunehmend in ihren Aktivitäten eingeschränkt, bis schließlich Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts die letzten ordinierten Amtsträger hochbetagt verstarben.

Folgende Änderungen traten ab dem 3. Februar 1901 ein:

  1. Neueinsetzungen zum Engel-, Priester- und Diakonenamt können nicht mehr erfolgen.
  2. Alle Diener in den Gemeinden und in der Allgemeinen Kirche bleiben auf der Stufe des Amtes, die sie vor 1901 hatten; also kein Aufstieg zu einem höheren Amt oder in eine höhere Stellung.
  3. Das Evangelistenwerk (Verkündigung und Sammlung von Gläubigen in und aus der Christenheit) hat aufgehört. Die Arbeit der Bezirksevangelisten und ihrer Mitarbeiter verlagert sich nun auf eine evangelistische Tätigkeit innerhalb der aufgerichteten Gemeinden.
  4. Durch den Wegfall des Evangelistenwerkes und die Aufgabenbeschränkungen anderer Ämter freiwerdende Diener werden - soweit Bedarf besteht - zum Dienst in den Gemeinden eingesetzt.
  5. Neue Gemeindeglieder werden nicht mehr aufgenommen, auch nicht solche Gläubiggewordene, die vor der Übergabe an das Hirtenamt standen.
  6. Die heilige Versiegelung kann wegen Fehlen des apostolischen Amtes nicht mehr gespendet werden.
  7. Die vierwöchentliche Versammlung der Sieben Gemeinden in London unter der Leitung eines Apostels entfällt; der Dienst wird jedoch auf einer niedrigeren geistlichen Stufe fortgesetzt.
  8. Die täglichen vollständigen Morgen- und Abenddienste mit der Räucherung und der Fürbitte entfallen; gebraucht wird jetzt nur noch in allen Gemeinden die Ordnung der kürzeren Morgen- und Abenddienste ohne den besonderen Fürbittenteil. Die mit den vollständigen Diensten dargebrachte „große“ Fürbitte war bis dahin von 60 Altären in sieben verschiedenen Sprachen aufgestiegen und die „kürzere“ Form der Fürbitte in hunderten von Gemeinden in der christlichen Welt dargebracht worden.
  9. In der hl. Eucharistie werden die Gedächtnisgebete nicht mehr in der längeren Form, sondern überall nur noch in der kürzeren Form gebraucht.
  10. Der Gesang zur Räucherung mit der Darbringung des Weihrauchs in der Feier der hl. Eucharistie entfällt; das Rauchfaß bleibt unbenutzt.
  11. Die tägliche, sich an den Morgendienst anschließende Morgenkommunion entfällt.
  12. Der siebenarmige Leuchter wird nicht mehr angezündet, er brennt also nicht mehr.
  13. Wegfall des liturgischen Dienstes nach dem Sonntags-Vormittagsdienst bei der Entfernung des hl. Sakramentes aus dem Tabernakel; es wird jetzt wieder - wie vor 1868 - stillschweigend in die Sakristei getragen.
  14. In den täglichen Vormittagsdiensten und Nachmittagsdiensten,sowie in den zusätzlichen Diensten der Litanei tritt eine Veränderung nicht ein.[1]

Neugründungen

In jüngerer Zeit führte die Beschäftigung mit diesen Gemeinden zu einigen Neugründungen, von denen sich jedoch die ursprünglichen Gemeinden distanzieren. Die vorwiegend niederländische Katholiek Apostolische Kerk sieht sich selbst als legitime Nachfolgerin der Katholisch-Apostolischen Gemeinden, wird aber von den noch existierenden, ursprünglichen katholisch-apostolischen Gemeinden, nicht anerkannt.

Lehre und Praxis

Selbstverständnis

Die englischen Apostel schrieben in ihrem Testimonium: "Die Kirche Christi ist die Gemeinschaft aller, ohne Unterschied der Zeit und des Landes, welche im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft und durch ihre Taufe von allen anderen Menschen ausgesondert sind." Sie waren daher von Grund auf ökumenisch eingestellt und sahen ihre späteren Gemeinden als "Modellgemeinden", in denen sich die Vielfalt der christlichen Riten niederschlug. Eine exklusive Heilsgewissheit wurde zu keiner Zeit für die Glieder der Gemeinden in Anspruch genommen.

Gottesdienst

Die Liturgische Kleidung des vierfachen Amtes.

Für den Gottesdienst wurde von den Aposteln eine Liturgie herausgegeben, die auf anglikanischen, römisch-katholischen und orthodoxen Vorlagen basierte. Lichter, Weihrauch, liturgische Kleidung, Weihwasser und Öl waren als Symbole im Gottesdienst in Gebrauch. Die vollständigen liturgischen Formen konnten nur in wenigen Gemeinden ausgeführt werden, da es dazu der Vollzahl der Ämter vor Ort bedurfte und diese nur in wenigen Gemeinden erreicht wurde, so z. B. in der Zentralkirche in London (am Gordon Square) und in Berlin. Es gab täglich vier Gottesdienste: den Morgendienst um 6 Uhr, Gebetsdienste um 9 Uhr und 15 Uhr und den Abenddienst (Vesper) um 17 Uhr. Sonntags um 10 Uhr und an Feiertagen wurde die Eucharistie gefeiert.

Organisation

Amtstracht eines Engels mit Superpelliceum einer Mozetta und Stola

Die katholisch-apostolischen Gemeinden waren streng hierarchisch organisiert. Es wurde sehr viel Wert auf das sogenannte „vierfache Amt“ gelegt: Apostel (als „Älteste“ der Gesamtkirche), Propheten, Evangelisten und Hirten (nach Eph. 4). Jedes dieser Ämter sollte sowohl in der Gesamtkirche als auch in der Einzelgemeinde (hier entsprechend der Amtskategorie der Apostel die „regierenden Ältesten“) vor Ort vorhanden sein. Die Ortsgemeinden wurden von sogenannten "Engeln" (=Bischöfen) geleitet, deren Name sich von den "Engeln der Sieben Gemeinden" in der Johannesoffenbarung herleiten sollte. Diesen standen Priester (im vierfachen Amt), Diakone, Unterdiakone, Diakonissen, Akoluthen und Türhüter zur Seite.

Jedem der Apostel wurde ein bestimmter Arbeitsbereich ("Stamm") zugewiesen, für den er zuständig war:

Aus dieser Stammeszuordnung leitete später die Neuapostolische Kirche ihr zentrales Leitungsamt, das Stammapostelamt, bei inhaltlicher Umdeutung ab.

Der erstberufene Apostel war John Bate Cardale, der auch als Pfeiler der Apostel bezeichnet wurde. Ihm waren zugeordnet der Pfeiler der Propheten, der Pfeiler der Evangelisten und der Pfeiler der Hirten im Sinne von "Säule und Stütze des jeweiligen Amtes". Am bekanntesten hiervon war der Pfeiler der Propheten, Edward Oliver Taplin. Auch den anderen elf Aposteln war jeweils ein Prophet, Evangelist und Hirte zugeordnet.

Gemeinden und Mitgliederzahlen

Katholisch-apostolische Kirche Kopenhagen
Katholisch-apostolische Kirche in Wuppertal

Die katholisch-apostolischen Gemeinden hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts schätzungsweise 200.000 Mitglieder, davon allein in Deutschland ca. 70.000, in weltweit fast 1.000 Gemeinden, die sich wie folgt verteilten:

  • England: 315
  • Schottland: 28
  • Irland: 6
  • Deutschland: 348
  • Niederlande: 17
  • Österreich/Ungarn: 8
  • Schweiz: 41
  • Norwegen: 10
  • Schweden: 15
  • Dänemark: 59
  • Russland, Finnland, Polen, Baltische Staaten: 18
  • Frankreich: 7
  • Belgien: 3
  • Italien: 2
  • Vereinigte Staaten von Amerika(USA): 29
  • Kanada: 13
  • Australien: 15
  • Neuseeland: 5

Im Jahr 2007 existieren in Deutschland und auch anderen Ländern noch etwa 40 Gemeinden. In den Restgemeinden werden Gottesdienste von Laienhelfern und vereinzelt von Unterdiakonen geleitet. In der Regel bestehen die Gemeinden aus Nachkommen früherer Gemeindeglieder. Ihre Liturgie beschränkt sich durch den Wegfall der ordinierten Geistlichkeit auf jene Handlungen, die auch Laien vollziehen können, v.a. fürbittende Gebete (namentlich die Litanei). Daneben werden Predigten aus der reichhaltigen homiletischen Literatur der katholisch-apostolischen Gemeinden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verlesen. Voraussetzung für die Predigtbefugnis war die Weihe zu einer der drei Amtsstufen (Engel, Priester, Diakon).

Eine geistliche Leitung fehlt den Gemeinden aus den oben erwähnten Gründen. Organisatorisch ist jedoch für den Stamm Norddeutschland die Vermögensgesellschaft bzw. -stiftung mit Sitz in Frankfurt zuständig. Die Verwaltung erfolgt also für jeden Stamm separat. Dieser gehören wohl fast alle Kirchengrundstücke und -gebäude in einem Stamm. Auch wurden bis mindestens in die 1990er Jahre noch Neubauten (zum Beispiel in Düsseldorf, Lüneburg oder Rostock) errichtet. Die Vermögensgesellschaften üben keinen großen Einfluss auf die Ortsgemeinden aus. Das Opferaufkommen wird von den lokalen Gemeinden verwaltet, nur die Zehnten zentral. Die Vermögensgesellschaft kommt daher nur bei größeren Ausgaben (Gebäude, Orgel) ins Spiel.

Dr. Johannes Albrecht Schröter schreibt in seiner Dissertationsschrift "Die Katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und der Fall Geyer": "Die heutigen Katholisch-apostolischen Gemeinden sind Gemeinden ohne übergeordnete Leitung. Niemand ist da, der verbindlich die Richtung festlegen dürfte falls diese einen neuen Kurs bedeuten würde. So bleiben die Gemeinde und ihre Mitglieder in der Spannung zwischen Abgeschlossenheit und Öffnung, zwischen Aufrechterhaltung des Vorhandenen und Verzicht auf Sonderexistenz, zwischen dem Bewusstsein "Erstlingsfrucht" bei der Wiederkunft Christi zu sein und der Bereitschaft, in der Praxis zum "Weizenkorn" (vgl.Johann.12,24) in den Kirchen zu werden. Die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi ist in den Katholisch-apostolischen Gemeinden nach wie vor sehr lebendig und für sie charakteristisch. Was die "Weizenkorn"-Aufgabe betrifft, so gibt es einerseits eine sehr interessante Wirkungsgeschichte der Botschaft der Albury-Apostel im Bereich geistlicher Erneuerungsbewegungen, in Kommunitäten und unter kirchlichen Amtsträgern - eine Geschichte, die eine Untersuchung wert war. Andereseits widerspricht die an manchen Orten zunehmende innere und räumliche (neue Kirchenbauten!) Abgrenzung von den übrigen Christen dem ursprünglichen, ökumenischen Anliegen der katholisch-apostolischen Bewegung und damit teilweise dem bis heute geltenden Selbstverständnis der Katholisch-apostolischen Gemeinden. Ob diese ihrer geistlichen und kirchengeschichtlichen "Weizenkorn"-Aufgabe gerecht werden, hängt entscheidend davon ab, ob ihre Mitglieder in Zukunft stärker den Austausch und die Gemeinschaft mit anderen Christen suchen und gestalten - um so tatsächlich als "sterbendes Weizenkorn" "Frucht zu bringen".

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • G.C. Flegg: Gathered Under Apostles; A Study of the Catholic Apostolic Church; Oxford, 1992. - ISBN 019826335X
  • Johannes Albrecht Schröter: Bilder zur Geschichte der Katholisch-apostolischen Gemeinden / Images Of The History Of The Catholic Apostolic Church; (Glaux Verlag Christine Jäger KG) Jena, 2001. - ISBN 3-931743-42-X
  • Edward Miller: The History and Doctrines of Irvingism or of the so-called Catholic Apostolic Church in two vols. - Vol. I & II; (C. Kegan Paul & Co.) London, 1878
  • A.L. Drummond: Edward Irving and his Circle; London, 1934.
  • P.E. Shaw: The Catholic Apostolic Church, sometimes called Irvingite (A Historical Study); New York, 1946.
  • Rowland A. Davenport: Albury Apostles; London, 1973; deutsch als Albury Apostel; (Oculi Verlag) Hannover, 2004. – ISBN 3980-64183-X
  • R.F. Edel: Heinrich Thiersch als oekumenische Gestalt; (Oekumenische Studien 18); Marburg a/d Lahn, 1962, in zweiter Auflage unter dem Titel: Auf dem Weg zur Vollendung der Kirche Jesu Christi; Marburg a/d Lahn, 1971.
  • J.A. Schröter: Die katholisch-apostolischen Gemeinden in Deutschland und der Fall Geyer; 2. Auflage, Marburg, 1998 - ISBN 3-8288-9014-8

Quellennachweise

  1. Born, S. 191