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Version vom 11. Dezember 2018, 17:13 Uhr
Richard Fehr (* 15. Juli 1939 in Flaach, Kanton Zürich; † 30. Juni 2013 in Zürich) war neuapostolischer Geistlicher und der 196. Apostel der Neuapostolischen Kirche. Als Stammapostel leitete er vom 22. Mai 1988 bis zum 15. Mai 2005 als Kirchenoberhaupt die Neuapostolischen Kirche (NAK).
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Richard Fehr wurde in ein neuapostolisches Elternhaus geboren. Seine Großmutter, welche vorher Methodistin war, war die erste Apostolische in seinem Heimatort Flaach. Fehr wuchs auf einem Bauernhof auf und verlor im Alter von zwölf Jahren seine Mutter. Richard Fehr lernte Schriftsetzer, arbeitete in diesem Beruf und wechselte nach zehn Jahren in die Werbebranche. Richard Fehr war seit dem 8. September 1960 mit Frau Sonja verheiratet, welche er im Jugendkreis kennen lernte. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor.
Richard Fehr erhielt verschiedene Amtsgaben, wurde 1980 zum Apostel ordiniert und an Pfingsten 1987 durch Stammapostel Hans Urwyler in Bern zum Bezirksapostel für die Schweiz gesetzt.
Wegen der schweren Erkrankung, die Stammapostel Urwyler Anfang Juli 1987 dienstunfähig machte, beauftragte er Richard Fehr im Juli 1987 mit seiner Vertretung und ordinierte ihn am 28. August 1987 zum Stammapostelhelfer. Die Einführung in dieses Amt nahm am 20. September 1987, während eines Gottesdienstes in Bern, Bezirksapostel Arno Steinweg vor. Dieser Ämtergottesdienst wurde nach 117 Gemeinden in elf Ländern Europas übertragen. Am 3. Mai 1988 wurde Fehr durch den schwer erkrankten Stammapostel Urwyler im Hospital zu Bern im Beisein von mehreren Bezirksaposteln zum Stammapostel ausgesondert. Dem vorausgegangen waren die sog. Londoner Gebetstage.
Fehr trat das Amt am 22. Mai 1988, an Pfingsten in Fellbach, offiziell an.
Während seiner Amtszeit als Stammapostel prägte er den Pfingstgottesdienst als Geburtstag der Kirche Christi. Aus diesem Grunde wurden jene Gottesdienste besonders gefeiert, sehr häufig umfangreich übertragen. Weiter führte er 1988 das Grußwort zu Pfingsten ein und setzte ebenso 1988 mit dem Gruß Maran atha - Unser Herr kommt! einen Akzent seiner Amtszeit.
Stammapostel Fehr diente bis zu seiner Ruhesetzung fast 17 Jahre als Stammapostel der Neuapostolischen Kirche. Zuvor war er lediglich ein Jahr Bezirksapostel gewesen. Damit prägte die Amtszeit Richard Fehrs eine ganze Generation neuapostolischer Christen.
An Pfingsten 2005, dem 15. Mai, ordinierte Fehr in der neuapostolischen Kirche in Fellbach bei Stuttgart seinen Nachfolger Dr. Wilhelm Leber und bat diesen um die Versetzung in den Ruhestand. Dies war dann auch die erste Amtshandlung des neuen Stammapostels.
Ordinationen
Datum | Amt |
15. November 1961 | Unterdiakon |
11. November 1962 | Diakon |
18. August 1963 | Priester |
30. Mai 1971 | Gemeindeevangelist und Vorsteher |
12. April 1973 | Bezirksältester |
18. Juli 1976 | Bischof |
25. Mai 1980 | Apostel |
7. Juni 1981 | Bezirksapostel für den Bezirk Schweiz |
28. August 1987 | Stammapostelhelfer |
22. Mai 1988 | Stammapostel |
15. Mai 2005 | Ruhesetzung |
Entwicklungen seiner Amtszeit
Verbreitung und Mission
In Fehrs Amtszeit setzte sich das rasante Wachstum der Neuapostolischen Kirche fort. In seinen ersten 10 Jahren als Stammapostel hielt er 590 Gottesdienste weltweit und diente dabei rund 12,4 Millionen Gottesdienstbesuchern. Im gleichen Zeitraum wuchs die Anzahl der Gemeinden von 35.500 auf 65.200, die Zahl der Amtsträger stieg von 109.000 auf 225.000. Und 292 Bezirksapostel und Apostel waren Ende Mai 1998 aktiv, zu Fehr's Amtsantritt waren es 189 gewesen. Die Mitgliederzahl der Kirche weltweit stieg bis zu seinen Ruhestand auf über 10 Millionen und verdoppelte sich damit während seiner Amtszeit. Insbesondere in Zentralafrika wuchs die Kirche in dieser Zeit massiv. Als um 1990 der ehemalige Ostblock zerbrach, wurde auch in jenen Gebieten die Mission der Neuapostolischen Kirche möglich. Insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion setzte eine intensive Missionsarbeit ein, und viele Gemeinden entstanden. Während Fehrs Amtszeit war die Neuapostolische Kirche in nahezu allen Ländern der Welt tätig. Nur in wenigen Ländern - insbesondere streng muslimischen Ländern- gab es keine Möglichkeit zur Tätigkeit der Neuapostolischen Kirche.
Kircheninternes und Öffentlichkeitsarbeit
Richard Fehr stieß während seiner Amtszeit eine Umorganisation der Verwaltung an. Etliche kleine Gebietskirchen wurden in seiner Amtszeit mit anderen Gebietskirchen fusioniert. Große Gebietskirchen, wie beispielsweise die Neuapostolische Kirche Kanada wurde in zwei Gebietskirchen geteilt. Auch wurden die sogenannten Missionsgebiete, die den Gebietskirchen zugeteilt waren neu zugeteilt, so dass der geographische Verantwortungsbereich einiger großer Gebietskirchen verkleinert wurde. Fehr war bestrebt, dass die Kirche sich zu seiner Amtszeit weiter öffnet, ohne jedoch die "neuapostolische Identität" zu verlieren.[1] Ebenso wurden in der Amtszeit von Fehr neue Lehrwerke für Sonntagsschule, Religionsunterricht und Konfirmandenunterricht erstellt. Auch das Gesangbuch der Neuapostolischen Kirche wurde in seiner Amtszeit erarbeitet, und kurz vor dem Ende von Richard Fehrs Amtszeit an Ostern 2005 in Gebrauch genommen. Ebenso wurde während Fehrs Amtszeit festgelegt, dass nicht mehr die Lutherbibel 1912, sondern stattdessen die Lutherbibel von 1984 für den liturgischen Gebrauch im Gottesdienst eingesetzt wird.
Ökumene
Während der Amtszeit von Richard Fehr wurde die vorsichtige ökumenische Öffnung, die sein Vorgänger Hans Urwyler angestoßen hatte, fortgesetzt. Charaktaristisch für diese Phase ist, dass man sich nicht mehr vollständig isolierte, sondern dem Gespräch öffnete. Die Grundeinstellung zur Ökumene und ökumenischen Bewegung blieb jedoch skeptisch bis kritisch. 1991/1993 gab die NAK offiziell Veröffentlichungen und eine Stellungnahme zum Thema Ökumene heraus, die mit dem Fazit schließt: "Die Neuapostolische Kirche distanziert sich von der Ökumene. Sie sieht in ihr keinen geeigneten Weg zum Einssein in Christo."[2] 1999 gründete Stammapostel Fehr die Projektgruppe Ökumene.
Innerapostolische Ökumene
Fehr intensivierte die unter Stammapostel Urwyler begonnenen Kontakte zu anderen apostolischen Gemeinschaften und trat für eine vorsichtige Öffnung der Kirche gegenüber diesen Gemeinschaften ein. Im Jahre 2000 lud er zu einem Treffen - Konzil apostolischer Gemeinschaften in Europa - nach Zürich ein. 15 apostolische Gemeinschaften wurden 2000 eingeladen, von denen vier Gemeinschaften teilnahmen. 2001 fand ein weiteres Treffen statt, diesmal nahmen sechs apostolische Gemeinschaften teil. Für 2002 war ein drittes Konzil geplant. Dieses wurde jedoch abgesagt, da die Mitglieder der Vereinigung Apostolischer Gemeinschaften zu der geplanten Zeit eine Apostelkonferenz hatten und ein Konzil ohne die VAG nicht sinnvoll gewesen wäre. Gerade zu den europäischen Gemeinschaften der VAG verbesserte sich die Kommunikation während Fehrs Amtszeit deutlich und wirkte bis sich bis auf die Ortsebene aus.
Liberalisierung
Während der Amtszeit von Stammapostel Fehr fand eine deutliche Liberalisierung der strengen ethischen Ansichten der Kirche statt. Hierbei setzte Richard Fehr den von seinem Amtsvorgänger Hans Urwyler angestoßenen Prozeß radikal fort.
Herausforderungen seiner Amtszeit
- 1988/89 eskalierte die innerkirchliche Krise in Süd- und Mittelhessen. Hier schwellte der Konflikt um den ehemaligen Apostel Hermann Gottfried Rockenfelder schon seit 1984/85. Dieser gab 1985 sein Amt auf. Nachdem bekannt wurde, dass Hermann Gottfried Rockenfelder in der Folgezeit weiterhin gelegentlich Gottesdienste gehalten sowie andere kirchenrechtlich auf Grund seiner Suspendierung nicht mehr statthafte Handlungen vollzogen hatte, wurde er nach weiteren Vermahnungen am 29. Dezember 1989 aus der Neuapostolischen Kirche ausgeschlossen. Kurz darauf gründete er die Apostolische Gemeinde Wiesbaden. Ihm folgten etwa 140 neuapostolische Amtsträger und etwa 2.000 Anhänger aus rund 40 hessischen Gemeinden, vor allem aus den Gebieten Wiesbaden, Gießen und dem mittelhessischen Biebertal.
- Mitte der 1990er sah sich die Neuapostolische Kirche unter Leitung von Richard Fehr im deutschsprachigen Raum massiver Kritik in den Medien ausgesetzt. Diese Medienpräsenz wurde insbesondere durch einen Kreis um Siegfried Dannwolf und Olaf Stoffel ausgelöst worden. Es kam zu zahlreichen Publikationen und einer Medienpräsenz. Nennenswert sind hier u.a. Sendungen in den RTL-Talkshows Hans Meiser und Ilona Christen, Berichte im ARD-Magazin Monitor und etliche Veröffentlichungen in der Presse (u.a. im Spiegel). Teilweise wurde hier die Neuapostolische Kirche als "extrem strenge Sekte" hinter "bürgerlicher Fassade" tituliert. Ihr wurde vorgeworfen, dass die Mitglieder unter massivem psychologischen Druck stehen würden. Ferner wurde der Kirche auch eine undurchsichtliche Finanzpolitik vorgeworfen. Diese Kritikwelle sorgte dafür, dass Fehr einen Stammapostelgottesdienst außerplanmäßig deutschlandweit übertragen ließ, an dessen Ende er einige Stellungnahmen zu den Vorwürfen abgab. Ferner wurden diese Vorwürfe auch in Beiträgen in Unsere Familie behandelt.
- Etwa zeitgleich zu den oben genannten Ereignissen sah sich Richard Fehr Kritik von Erwin Meier-Widmer und einer von ihm betriebenen, oder zumindest ihn unterstützenden Internetplattformen "Freunde der reinen Jesulehre" unter der Federführung von Dr. Erwin Meier-Widmer oder die "Wächterstimme aus Zion", in der Briefwechsel mit Aposteln, interne Dokumente der NAK und kritische Schriften (oftmals kritisch kommentiert) veröffentlicht wurden. Kritisiert wurden insbesondere die Einkünfte des Stammapostels und der Apostel. Auch wurden immer wieder Vorwürfe erhoben, dass von der Kirchenleitung finanzielle Mittel verschwendet werden würden. Aus dem gleichen Umfeld stammte wohl auch der Anonymus "Schaliach", welcher tausende an Briefen an Vorsteher in Süddeutschland und der Schweiz versendete, in dem ähnliche Vorwürfe erhoben wurden.
- Insbesondere mit der fortschreitenden Verbreitung des Internets kam es ab Mitte der 1990er zu einem steigenden Angebot von Homepages mit kritischen Inhalten zur Neuapostolischen Kirche und zu einer Vernetzung von internen und externen Kritikern an der Neuapostolischen Kirche. In etlichen Internetforen- insbesondere auch im Diskussionsforum von glaubenskultur.de wurden einzelne Gottesdienste des Stammapostels kritisch bis polemisch analysiert und kommentiert. Richard Fehr bezeichnete bei mehreren Gelegenheiten diese Aktionen mit einem polemischen Unterton als "Internetschreiberlinge"; jedoch hinterließ vor allem die Schmähkritik bei ihm tiefe Spuren und er fühlte sich persönlich angegriffen, wie er später auch andeutete.
Ruhestand
Stammapostel Richard Fehr besuchte in der Anfangszeit seines Ruhestandes vereinzelt Gemeinden um auch in Lesestunden sein Buch Betrachtungen eines Ruheständlers vorzustellen. Seine zunehmende Krankheit ließ ihn in den letzten Jahren davon Abstand nehmen. Eine zeitlang war Richard Fehr auch auf der Social-Network-Plattform facebook aktiv und unterhielt sich dort aktiv mit Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche. Viel Zeit verbrachte der Ruheständler aber auch damit, dass er Dutzende Romane und Erzählungen unter dem Pseudonym f.u.ricardo veröffentlichte.
Ebenso erschienen beim Friedrich Bischoff Verlag zwei Bücher über seine Amtszeit. Das Buch Maran atha beleuchtete seine erste Hälfte der Amtszeit bis 1998, das Buch Unser Herr kommt die zweite.
Am 26. September 2010 erhielt Richard Fehr und seine Frau Sonja durch Stammapostel Wilhelm Leber den Segen zur goldenen Hochzeit. Die Neuapostolische Kirche stellte dazu auch ein Video online, welches hier einzusehen ist.
Richard Fehr konnte an Pfingsten 2013 aus Krankheitsgründen nicht an der Amtseinsetzung des Stammapostels Jean-Luc Schneider teilnehmen. Zuletzt war er Mitte Juni 2013 mit der Teilnahme an der Abschiedsveranstaltung des alten Stammapostels Leber im Hauptsitz der Neuapostolischen Kirche International in Zürich in der Öffentlichkeit gewesen. Stammapostel Wilhelm Leber sagte dazu:
„Ich war einfach froh, mich mit meinen Stammaposteln austauschen zu können. Es herrschte eine entspannte, fröhliche Stimmung, nicht zuletzt weil Stammapostel Fehr seinen feinen Humor nicht verloren hat.[3]“
Stammapostel Richard Fehr starb am späten Nachmittag des 30. Juni 2013.[4] Den Trostgottesdienst führte Stammapostel Jean-Luc Schneider am 17. Juli 2013 in Zürich-Hottingen durch und stellte ihn unter das Bibelwort aus Hebräer 13, 7: "Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt aben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach.".
Veröffentlichungen
- Betrachtungen eines Ruheständlers
- Erinnerungen
Unter dem Pseydonym f.u.ricardo veröffentlichte Richard Fehr Dutzende Bücher. Auf seiner Autorenseite hieß es über ihn:
„F.U. Ricardo (Pseudonym) ist Schweizer und lebt in der Region Zürich. Seine berufliche Tätigkeit brachte ihn in alle Welt. Die Musse seines Ruhestands nützt er dazu, dem lange zurückgestellten Hobby des Schreibens zu frönen.“
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
Hans Urwyler | Stammapostel der Neuapostolischen Kirche 1988-2005 |
Wilhelm Leber |
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
Karl Kühnle | Bezirksapostel der Gebietskirche Schweiz 1981-1988 |
Peter Dessimoz |
Einzelnachweise
- ↑ http://cms.nak-karlsruhe.de/Interview-mit-Stammapostel-i-R-Richard.21873.0.html?&contUid=17499
- ↑ "Neuapostolische Kirche und Ökumene", Volker Kühnle, 3. Januar 2008, S. 8/14
- ↑ nak.org - Empfang zum Abschied aus der NAKI-Verwaltung
- ↑ nak.org - Stammapostel Richard Fehr ist heimgegangen.