Christliche Sondergemeinschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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Als religiöse Sondergemeinschaften werden in der christlichen Theologie bzw. Konfessionskunde diejenigen christlichen Kirchen angesehen, die sich von den anderen Kirchen durch Sonderlehren abheben. Sondergemeinschaften lehnen im Regelfall ökumenische Beziehungen ab und betrachten die anderen christlichen Kirchen als Gemeinschaften, die von der wahren christlichen Lehre abgefallen seien.
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Mit dem Begriff '''religiöse''' oder '''christliche Sondergemeinschaft''' werden in der christlichen Konfessionskunde und Religionswissenschaft jene Glaubensgemeinschaften zu beschreiben versucht, die in Hinsicht auf die christliche Theologie (insbesondere auf die historisch-kritische Exegese) sogenannte [[Sonderlehre]]n vertreten und diese oft als zentral für die Dogmatik ihrer Konfession ansehen. Eine starke bis fundamentalistische Ausrichtung auf [[Eschatologie]] oder [[Apokalypse]] scheint oft ein gemeinsamer Nenner der sondergemeinschaftlichen Dogmatik.  
Die meisten Sondergemeinschaften haben eine Theologie, die in ein oder mehreren Punkten nicht mit dem theologischen Minimalkonsens des Ökumenischen Rats der Kirchen übereinstimmt (Bekenntnis zum Glauben an den dreieinigen Gott wie er in der Bibel und im Nicäno-Konstantinopolitanum ausgedrückt ist, Taufe "im Namen des Vaters, des Sohns und des Heiligen Geists"). Manche haben Lehrmeinungen oder Praktiken, die nur bei ihnen vorkommen, und die sie als zentral für ihren Glauben ansehen.
 
Über die Frage, welche Gemeinschaften als Sondergemeinschaften zu werten sind, besteht im Einzelfall nicht immer Konsens.
 
  
Mit dem Begriff '''religiöse''' oder '''christliche Sondergemeinschaft''' werden in der christlichen Konfessionskunde und Religionswissenschaft jene Glaubensgemeinschaften zu beschreiben versucht, die in Hinsicht auf die christliche Theologie (insbesondere auf die historisch-kritische Exegese) sogenannte [[Sonderlehre]]n vertreten und diese oft als zentral für die Dogmatik ihrer Konfession ansehen. Eine starke bis fundamentalistische Ausrichtung auf Eschatologie oder Apokalypse scheint oft ein gemeinsamer Nenner der sondergemeinschaftlichen Dogmatik.  
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Im Bereich der Religionswissenschaft wird klar zwischen den Fachbegriffen "Sondergemeinschaften" und "neuen religiösen Bewegungen" (eigentlich Ersatzbegriff für "Sekte") aufgrund ihrer Sektenmerkmale unterschieden. Welche Glaubensgemeinschaften wie einzuteilen sind, ist oft umstritten. Federführung übernehmen in Mitteleuropa dabei Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen oder römisch-katholischen Kirche. In Deutschland wird der [[EZW|evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen]] (EZW) am meisten Fachbedeutung zugesprochen.
  
Im Bereich der Religionswissenschaft wird klar zwischen den Fachbegriffen "Sondergemeinschaften" und "neuen religiösen Bewegungen" (eigentlich Ersatzbegriff für "Sekte") aufgrund ihrer Sektenmerkmale unterschieden. Welche Glaubensgemeinschaften wie einzuteilen sind, ist oft umstritten. Federführung übernehmen in Mitteleuropa dabei Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen oder römisch-katholischen Kirche. In Deutschland wird der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) am meisten Fachbedeutung zugesprochen.
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Die EZW betrachtet von den [[apostolische Gemeinschaft|apostolischen Gemeinschaften]] insbesondere die [[Neuapostolische Kirche]] als kirchliche Sondergemeinschaft, jedoch mit eindeutigen Öffnungs- und Entsektungsmerkmalen.  
  
Die EZW betrachtet von den Weltanschauungsfragen insbesondere die Neuapostolische Kirche als kirchliche Sondergemeinschaft, jedoch mit eindeutigen Öffnungs- und Entsektungsmerkmalen.  
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== Verhältnis zur Ökumene ==
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Christliche Sondergemeinschaften lehnen in den meisten Fällen [[Ökumene|ökumenische Beziehungen]] ab. Während sich eine christliche Sondergemeinschaft selbst oft als vollwertiges Christentum erkennt, werden andere Christen oft als vom wahren Glauben abgefallen bezeichnet. Die biblische Erwähnung der "[[Hure Babylon]]" als falsche Religion, projiziert auf andere Christen, erhielt in vielen Sondergemeinschaften grössere Bedeutung<ref>[http://www.christ-im-dialog.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1366&Itemid=170 Christ im Dialog] "Ja, ich komme bald." - Endzeiterwartungen in fundamentalistischen Bewegungen</ref>.
  
== Verhältnis zur Ökumene ==
 
Christliche Sondergemeinschaften lehnen in den meisten Fällen ökumenische Beziehungen ab. Während sich eine christliche Sondergemeinschaft selbst oft als vollwertiges Christentum erkennt, werden andere Christen oft als vom wahren Glauben abgefallen bezeichnet. Die biblische Erwähnung der "Hure Babylon" als falsche Religion, projiziert auf andere Christen, erhielt in vielen Sondergemeinschaften grössere Bedeutung<ref>[http://www.christ-im-dialog.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1366&Itemid=170 Christ im Dialog] "Ja, ich komme bald." - Endzeiterwartungen in fundamentalistischen Bewegungen</ref>.
 
   
 
 
== Sonderlehren ==
 
== Sonderlehren ==
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Die dogmatische Theologie der meisten Sondergemeinschaften unterscheidet sich einem oder mehreren Punkten vom theologischen Minimalkonsens des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und teilen daher oft nicht Grundüberzeugungen der ökumenischen Konzile (z.B. des Nicäno-Konstantinopolitanum):
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*biblische Begründung der Dreieinigkeit Gottes
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*Taufformel ''im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes''
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Damit kommen viele Sonderlehren nur in der eigenen Gemeinschaft vor und werden oft als zentral für den Glauben angesehen.
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== Weitere Sektenmerkmale ==
 
== Weitere Sektenmerkmale ==
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Im Bezug auf die Charakterisierung von neuen religiösen Bewegungen werden folgende Sektenmerkmale auch als häufig in Sondergemeinschaften vorkommend angesehen:
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*eine charismatische Führungspersönlichkeit oder -einheit<ref>Barker, Eileen. 1989. New religious movements: A practical introduction. London, Her Majesty's Stationary Office, S. 10f</ref>
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*klare Grenze und Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern<ref>Barker, Eileen. 1989. New religious movements: A practical introduction. London, Her Majesty's Stationary Office, S. 10f</ref>
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*steil hierarchische und fluide Organisationsformen<ref> Bromley, David G. and Anson D. Shupe. 1995. "Anti-Cultism in the United States: Origins, Ideology and Organizational Development." Social Compass 42:221-36, S. 228</ref>
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== Beispiele ==
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Als christliche Sondergemeinschaften betrachtet die [[EZW]] u.a.<ref>[http://www.ekd.de/ezw/die_ezw.php Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen] Referenden</ref>:
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*[[Neuapostolische Kirche]] (NAK)
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*[[Zeugen Jehovas]] (ZJ)
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*Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ([[Mormonen]])
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In der Kompakt-Info ergänzen die Referenten [[Andreas Fincke]] und [[Michael Utsch]], dass die NAK Entsenktungsprozesse und eine ökumenische Öffnung aufweist.<ref>[http://www.ekd.de/ezw/dateien/EZW_KI_NAK_4_2009.pdf EZW Kompakt-Info] Die Neuapostolische Kirche</ref> Dies machte Michael Utsch als Gastredner beim europäischen Jugendtag am 22. Mai 2009 nochmals klar.
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== Literatur ==
 
== Literatur ==
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*Harald Baer, Hans Gasper, Johannes Sinabell: ''Lexikon der christlichen Kirchen und Sondergemeinschaften'', Herder Verlag, 12/2009, ISBN 3-451-06051-5
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*Oswald Eggenberger: ''Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen'', TVZ, 2. Auflage 1978, ISBN 3-290-11384-1
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== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
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*[http://www.ekd.de/ezw/index.php Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen] Berlin, Deutschland
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*[http://www.kath.ch/infosekten/ Info Sekten] Katholische Informationsstelle Schweiz
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== Quellen ==
 
== Quellen ==
 
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[[Kategorie:Neuapostolische Kirche]]
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[[Kategorie:Kirchenkritik]]

Aktuelle Version vom 16. Dezember 2011, 22:42 Uhr

Mit dem Begriff religiöse oder christliche Sondergemeinschaft werden in der christlichen Konfessionskunde und Religionswissenschaft jene Glaubensgemeinschaften zu beschreiben versucht, die in Hinsicht auf die christliche Theologie (insbesondere auf die historisch-kritische Exegese) sogenannte Sonderlehren vertreten und diese oft als zentral für die Dogmatik ihrer Konfession ansehen. Eine starke bis fundamentalistische Ausrichtung auf Eschatologie oder Apokalypse scheint oft ein gemeinsamer Nenner der sondergemeinschaftlichen Dogmatik.

Im Bereich der Religionswissenschaft wird klar zwischen den Fachbegriffen "Sondergemeinschaften" und "neuen religiösen Bewegungen" (eigentlich Ersatzbegriff für "Sekte") aufgrund ihrer Sektenmerkmale unterschieden. Welche Glaubensgemeinschaften wie einzuteilen sind, ist oft umstritten. Federführung übernehmen in Mitteleuropa dabei Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen oder römisch-katholischen Kirche. In Deutschland wird der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) am meisten Fachbedeutung zugesprochen.

Die EZW betrachtet von den apostolischen Gemeinschaften insbesondere die Neuapostolische Kirche als kirchliche Sondergemeinschaft, jedoch mit eindeutigen Öffnungs- und Entsektungsmerkmalen.

Verhältnis zur Ökumene

Christliche Sondergemeinschaften lehnen in den meisten Fällen ökumenische Beziehungen ab. Während sich eine christliche Sondergemeinschaft selbst oft als vollwertiges Christentum erkennt, werden andere Christen oft als vom wahren Glauben abgefallen bezeichnet. Die biblische Erwähnung der "Hure Babylon" als falsche Religion, projiziert auf andere Christen, erhielt in vielen Sondergemeinschaften grössere Bedeutung[1].

Sonderlehren

Die dogmatische Theologie der meisten Sondergemeinschaften unterscheidet sich einem oder mehreren Punkten vom theologischen Minimalkonsens des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und teilen daher oft nicht Grundüberzeugungen der ökumenischen Konzile (z.B. des Nicäno-Konstantinopolitanum):

  • biblische Begründung der Dreieinigkeit Gottes
  • Taufformel im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes

Damit kommen viele Sonderlehren nur in der eigenen Gemeinschaft vor und werden oft als zentral für den Glauben angesehen.

Weitere Sektenmerkmale

Im Bezug auf die Charakterisierung von neuen religiösen Bewegungen werden folgende Sektenmerkmale auch als häufig in Sondergemeinschaften vorkommend angesehen:

  • eine charismatische Führungspersönlichkeit oder -einheit[2]
  • klare Grenze und Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern[3]
  • steil hierarchische und fluide Organisationsformen[4]

Beispiele

Als christliche Sondergemeinschaften betrachtet die EZW u.a.[5]:

In der Kompakt-Info ergänzen die Referenten Andreas Fincke und Michael Utsch, dass die NAK Entsenktungsprozesse und eine ökumenische Öffnung aufweist.[6] Dies machte Michael Utsch als Gastredner beim europäischen Jugendtag am 22. Mai 2009 nochmals klar.

Literatur

  • Harald Baer, Hans Gasper, Johannes Sinabell: Lexikon der christlichen Kirchen und Sondergemeinschaften, Herder Verlag, 12/2009, ISBN 3-451-06051-5
  • Oswald Eggenberger: Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, TVZ, 2. Auflage 1978, ISBN 3-290-11384-1

Weblinks

Quellen

  1. Christ im Dialog "Ja, ich komme bald." - Endzeiterwartungen in fundamentalistischen Bewegungen
  2. Barker, Eileen. 1989. New religious movements: A practical introduction. London, Her Majesty's Stationary Office, S. 10f
  3. Barker, Eileen. 1989. New religious movements: A practical introduction. London, Her Majesty's Stationary Office, S. 10f
  4. Bromley, David G. and Anson D. Shupe. 1995. "Anti-Cultism in the United States: Origins, Ideology and Organizational Development." Social Compass 42:221-36, S. 228
  5. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Referenden
  6. EZW Kompakt-Info Die Neuapostolische Kirche