Kritik an der apostolischen Bewegung
Kritik an der apostolischen Bewegung findet sich nahezu seit Beginn der apostolischen Bewegung in den 1830er Jahren. Diese wird teilweise von innen durch zumeist ehemalige Mitglieder einer apostolischen Glaubensgemeinschaft oder von ausserhalb, oft durch Vertreter anderer Kirchen, geübt. Auch in der Folge von Spaltungen und Entstehung neuer apostolischer Gemeinschaften kam es oft zur Kritik an der Muttergemeinschaft, die oft bis heute gepflegt wird.
Heute steht, wohl insbesondere wegen ihrer Größe, die Neuapostolische Kirche im Zentrum kritischer Beobachtung. Andere apostolische Gemeinschaften werden gegenwärtig nicht besonders kritisch beobachtet.
Inhaltsverzeichnis
Kritik an den katholisch-apostolischen Gemeinden
Bereits die katholisch-apostolischen Gemeinden sahen sich bald massiver Kritik ausgesetzt. So wurde ihre Lehre von etlichen Theologen als sektiererisch eingestuft. Auch kam es zu kritischen Schriften durch ehemalige Gemeindemitglieder oder Personen, die der Bewegung zumindest zeitweilig nahestanden. Beispielsweise ist hier Robert Baxter zu nennen, der sich nach anfänglichem Enthusiasmus für die apostolische Bewegung von dieser zurückzog und kritische Stellungnahmen zu den katholisch-apostolischen Gemeinden verfasste. Ferner ist hier auch der Pfarrer von Albury, Hugh McNeile, zu nennen. Dieser hatte an den Albury-Konferenzen teilgenommen und dort zu nächst eine tragende Rolle eingenommen. Ab 1832 wandte er sich verstärkt gegen die katholisch-apostolische Bewegung, bezeichnete u.a. ihre Geistesgaben als falsch.
Erst spät kam es zu einer anderen Wertung der katholisch-apostolischen Gemeinden. Eine positive Wertung geschah erstmalig durch Kurt Hutten, dem sich einige Theologen in der Folge anschlossen.
Jedoch werden die katholisch-apostolischen Gemeinden auch heute noch, insbesondere von evangelikalen Theologen und Kreisen, als Sekte wahrgenommen und bewertet.
Kritik nach 1863
Schon bald nach der Trennung der Hamburger Gemeinde von den katholisch-apostolischen Gemeinden kam es zur kritischen Auseinandersetzung mit der neuen Gemeinschaft. In dieser Phase (1864- 1910) wurden kritische Schriften zumeist durch kritische Schriften, sogenannte Abwehrschriften, erwidert.
Nennenswert ist hier u.a. der ehemalige Diakon der Apostolisch Zending unter Apostel Schwarz, IJsbrand Smit, der zu den ersten Anhängern gehörte und sich kurze Zeit später von dieser wieder löste. Er veröffentlichte zwei Schriften, in denen er gegen die Apostolische Zending Stellung bezog. Apostel Schwarz reagierte auf die Kritik, die auch durch evangelische Theologen in den Niederlanden geübt wurde, mit verschiedenen Schriften.
Nach der Spaltung der Hersteld Apostolische Zendingkerk 1897 wurde die Gruppe um Kofmann von der Gruppe um van Bemmel, die aus dieser Spaltung hervor gegangen waren mit schriftlichen Veröffentlichungen kritisiert: „De ware oorzaak der scheuring“ („Die wahre Ursache der Spaltung“), worauf die HAZGEA (Gruppe um Kofman/Krebs/Niehaus) eine ebenfalls gedruckte Antwort herausgab: „Geen scheuring, doch afval“ („Keine Spaltung, sondern Abfall“).
Auch die Apostolische Gemeinde unter Krebs sah sich Kritik von innerhalb und ausserhalb ausgesetzt. Hier ist u.a. Luise Kraft zu nennen, die selbst zur Apostolischen Gemeinde gehörte und sich von dieser nach einigen Jahren wieder löste. Sie kritisierte insbesondere das Apostelamt, die Stellung des Apostels, die Geistesgaben und sprach von Druck, der auf die Mitglieder ausgeübt wurde.
Die Neuapostolische Gemeinde in Westfalen unter Apostel Niehaus sah sich ab 1902 genötigt, auch "Abwehrschriften" gegenüber Kritik von landeskirchlicher Seite herauszugeben. Anlass hier zu waren insbesondere die Schriften der beiden evangelischen Pfarrer Kretzer-Strach von 1902 und Handtmann von 1903. Hierauf reagierte die Neuapostolischen Kirche unter Hermann Niehaus mit der Schrift “Si tacuisses! (Wenn du doch geschwiegen hättest!)”.
Eine weitere "Warnschrift" von landeskirchlicher Seite aus diesem Zeitraum war Wer sind die Apostolischen?.
Es folgten weitere kritische Auseinandersetzungen, die wiederum schriftlich entgegnet wurden. 1907 im Neuapostolischen Verlag eine Broschüre mit dem Titel “Lichtwaffen zur Abwehr protestantisch-pastoraler Schmähungen über die Neuapostolische Gemeinde”.
Interessant ist, dass diese Schriften unter Niehaus jeweils Hinweise enthalten, dass in den Schriften jeweils erwähnt wird, dass “die Neuapostolischen treue Staatsbürger, Patrioten und ernstgesinnte Christen” sind. Hiermit sollte wiederholt dem Vorwurf entgegnet werden, dass die Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, welche überwiegend aus den unteren Schichten (und auch aus dem Arbeitermileu) entstammten, revolutionäre ("sozialdemokratische" oder "kommunistische") Gedanken und Ziele fördern würden, wie dies in manchen Schriften über die Neuapostolische Kirche anklang. Besonders erwähnenswert ist hier auch die Abwehrschrift “Abwehr der königstreuen patriotisch gesinnten Neuapostolischen Gemeinde gegen feindliche Angriffe”. Hintergrund dürfte wohl sein, dass in der neuapostolischen Bewegung stets auch sozial- , staats- und gesellschaftskritische Tendenzen aufgetreten sind.[1] Auch die führenden Köpfe der Antikriegsbewegung in der kaiserlichen Marine 1917 - Albin Köbis und Max Reichpietsch- waren beide Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde.
Jene Schriften vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeichnen sich durch einen recht käpferischen Ton aus, aus dem vielleicht der Rückschluss gezogen werden kann, dass die Angriffe innerhalb der Neuapostolischen Kirche als massiv und bedrängend empfunden wurdne.
1924 erschien wiederum eine Verteidigungsschrift des Apostelkollegiums: Die Wahrheit über die Neuapostolischen.
Nach 1925 wandte sich die Neuapostolische Kirche nach und nach von dieser kämpferischen Beantwortung der Kritk ab und ging in eine selbstgewählte Isolation, die auch darin bestand, dass man Kritik von ausserhalb weitgehend ignorierte.
nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst relativ ruhig um die Neuapostolische Kirche. Erst mit fortschreitender Dogmatisierung der sog. Botschaft des Stammapostel Bischoff rückte die Kirche wieder in die kritische Betrachtung durch die Öffentlichkeit. Zu nennen sind hier insbesondere die Schriften des evangelischen Theologen Kurt Hutten, der die Neuapostolische Kirche und insbesondere die Botschaft in mehreren Publikationen kritisierte.
Es kam auch in diesem Zeitraum, u.a. durch die "Botschaft", zu einigen Trennungen von der Neuapostolischen Kirche, die sich u.a. in der Vereinigung Apostolischer Gemeinden sammelten. Von dieser Seite wird bis heute die Neuapostolische Kirche kritisiert. So finden sich kritische Darstellungen bis heute bspw. auf der Homepage der Apostolischen Gemeinschaft.[2] Auch die in diesem Zeitraum entstande Apostolische Gemeinde des Saarlands kritisierte die Neuapostolische Kirche [3][4] und auch die Vereinigung Apostolischer Gemeinden.[5][6]
Unter Stammapostel Schmidt wurde die selbstgewählte Isolation weiter fortgeführt. Kritik an der Kirche wurde weitgehend ignoriert und wurde auch von aussen in der Folge wenig geübt.
Einige Ausnahmen können hier jedoch genannt werden. So veröffentlichte der hessische Bezirksapostel Gottfried Rockenfelder 1953 das Büchlein "Was sagen die anderen?", in dem er zur theologischen Kritik an der Neuapostolischen Kirche Stellung bezog, und diese aus neuapostolischer Sicht unter Heranziehung von Bibelstellen widerlegte. Hier stand er sozusagen inder Tradition der bereits von Apostel Niehaus geübten Praxis.
ab 1990
Mitte der 1990er Jahre kam es zu einer massiven Kritikwelle, die die Neuapostolische Kirche zu einer öffentlichen Stellungnahme bewegte. Es war, insbesondere durch einen Kreis um Siegfried Dannwolf und Olaf Stoffel, zu zahlreichen Publikationen und Medienpräsenz dieses Themas gekommen. Nennenswert sind hier u.a. Sendungen in den RTL-Talkshows Hans Meiser und Ilona Christen, Berichte im ARD-MAgazin Monitor und etliche Veröffentlichungen in der Presse (u.a. im Spiegel). Teilweise wurde hier die Neuapostolische Kirche als "extrem strenge Sekte" hinter "bürgerlicher Fassade" tituliert. Ihr wurde vorgeworfen, dass die Mitglieder unter massivem psychologischen Druck stehen würden. Ferner wurde der Kirche auch eine undurchsichtliche Finanzpolitik vorgeworfen.
Insbesondere mit der fortschreitenden Verbreitung des Internets kam es ab Mitte der 1990er zu einem steigenden Angebot von Homepages mit kritischen Inhalten zur Neuapostolischen Kirche und zu einer Vernetzung von Kritikern an der Neuapostolischen Kirche. Es entstandten auch Plattformen im Internet wie die "Freunde der reinen Jesulehre" unter der Federführung von Dr. Erwin Meier-Widmer oder die "Wächterstimme aus Zion", in der Briefwechsel mit Aposteln, interne Dokumente der NAK und kritische Schriften (oft mals kritisch kommentiert) veröffentlicht wurden.
Die Neuapostolische Kirche suchte in der Folge den Dialog mit Kirchenkritikern. Unter anderem Übernahm das "Gremium für besondere Angelegenheiten" diese Aufgabe. Nennenswert ist hier auch der offene Briefwechsel zwischen Siegfried Dannwolf und dem hessischen Bezirksapostel Hagen Wend.
ab 2000
Die Kritik an der apostolischen Bewegung setzte sich ab 2000 in Form der 1990er Jahre fort. Jedoch sind keine großen medienwirksamen Aktionen mehr zu verzeichnen. Im Internet wurden und werden Entwicklungen in der apostolischen Bewegung und insbesondere der Neuapostolischen Kirche von kritischen Mitgliedern, ehemaligen Mitgliedern (sogenannten Aussteigern) und aussenstehenden Personen beobachtet und kommentiert. Der Umgang mit Kritik an der Kirche ist von Seiten der Neuapostolischen Kirche entspannter geworden; wo es möglich ist, wird der Dialog gesucht.
2004 sorgte die Amtsrückgabe des niederländischen Apostels Gerrit Sepers für einiges Interesse im Internet. Sepers veröffentlichte einige Interviews, schrieb offene Briefe an Stammapostel Leber, welche auch beantwortet wurden. Insbesondere der Informationsabend der NAK vom 4. Dezember 2007 wurde im Internet kontrovers diskutiert.
Weiterhin beleuchtet die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen seit den 1960er Jahren das Geschehen und die Entwicklungen innerhalb der Neuapostolischen Kirche kritisch. Jedoch wird auch hier seit Anfang des Jahrtausends von der Leitung der Neuapostolischen Kirche gesucht. Neu ist die Entwicklung, dass man diesen kritischen Dialog öffentlich führt, so z.B. bei einer Podiumsdiskussion zwischen Apostel Volker Kühnle und Dr.Michael Utsch von der EZW beim Europa Jugendtag 2009 oder zuletzt die Diskussionsrunden des Netzwerk Apostolische Geschichte auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag, welche als Video und podcast im Internet zur Verfügung stehen (http://www.apostolische-geschichte.de/downloads.html).
siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Helmut Obst, Apostel und Propheten der Neuzeit, S.120
- ↑ http://www.apostolisch.de/fakten/literatur.php , abgerufen am 24.01.2010, 14:20
- ↑ bspw.: http://www.apostolische-gemeinde-des-saarlandes.de/html/die_spalter.html, abgerufen am 24.01.10, 14:35
- ↑ vgl. auch http://www.apostolische-gemeinde-des-saarlandes.de/html/der_neue_stammapostel.html, abgerufen am 24.01.2010, 14:30
- ↑ bspw. : http://www.apostolische-gemeinde-des-saarlandes.de/html/frauen.html, abgerufen am 24.01.2010, 14:30
- ↑ vgl. auch http://www.apostolische-gemeinde-des-saarlandes.de/html/der_neue_stammapostel.html, abgerufen am 24.01.2010, 14:30