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Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung

150 Bytes hinzugefügt, 21:46, 15. Jan. 2022
K
Vortrag
== Vortrag ==
'''Projektgruppe „Offenbarung“Offenbarung'''<br> '''Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung'''<br> '''Vortrag von Apostel Drave am 21. Mai 1999 vor derde'''r<br> '''Apostel-Versammlung-International - Toronto'''<br> 
'''1. Einleitung: Das Problem der „Periodisierung“'''<br> 
Die Jahrtausendwende naht und damit auch eine Flut von Endzeiterwartungen. Man kann sogar von einem „Endzeitfieber“ sprechen. Zu esoterischen und mystischen Stimmen kommt auch der Ruf: Lest doch die Apokalypse, die „Offenbarung“ Johannes! Dort steht alles über das Ende der Welt. Und außerdem: Man kann sogar den Zeitpunkt berechnen, an dem die Geschichte dieser Welt zu Ende geht!<br>
Das Bedürfnis, die „Offenbarung Johannes“ wie einen Fahrplan der Weltgeschichte auszulegen, ist unübersehbar.<br>
 
Was bedeutet dieser Befund für uns als neuapostolische Christen?<br>
In der Lehre und in der Verkündigung der Neuapostolischen Kirche nimmt die „Offenbarung“ einen wichtigen Platz ein. Man hört hier und da in den Gemeinden sogar den Wunsch: Wir möchten noch viel mehr Aufschluss über dieses Buch erhalten.<br>
 
Nun, dass die Auslegung der „Offenbarung“ unserem Stammapostel am Herzen liegt, das zeigt sich schon allein eindrucksvoll darin, dass er zu Pfingsten gern ein Grußwort aus der „Offenbarung“ herangezogen hat. Denken wir an das des letzten Jahres:<br>
„Doch was Ihr habt, das haltet, bis dass ich komme.“ (Offenbarung 2, Vers 25)
Die Wichtigkeit der „Offenbarung“ für unseren Glauben liegt vor allem in diesem:<br>
- * Es ist ein Buch der Zukunft. Es handelt vornehmlich von der Wiederkunft Christi und von der Aufrichtung seines Reiches.<br>- * Alle Ausführungen in diesem Buch stehen unter dem Wort des Herrn: „Siehe, ich komme bald!“ Diese Verheißung des Herrn ist mehr als ein Wort. Es ist wie eine Regierungserklärung des Königs Christus.<br>- * Auf diese Aussage hin, die wie ein Brennpunkt ist, lassen sich alle Inhalte der "Offenbarung" konzentrieren. Von Ihm her muss auch die Auslegung erfolgen.<br>- * Das Wirken des Heiligen Geistes richtet sich auf die Vorbereitung der Gemeinde auf die Wiederkunft Christi. Das erleben wir besonders im Dienen unseres Stammapostels. Und die Gemeinde, die Braut des Herrn, wartet. Sie wartet im gläubigen Hoffen und bereitet sich auf sein Erscheinen vor.<br> 
Zur Zeit Jesu stellten die Jünger dem Herrn laut Matthäus 24,3 die Frage:
„... Sage uns, wann wird das geschehen? Und welches wird das Zeichen sein deiner Zukunft und des Endes der Welt?“<br>
 
Ähnlich fragen heute die gläubig Wartenden: Wann endlich kommt der Herr? Gibt es deutliche Zeichen für die erfüllte Zeit?<br>
 
Die Beschäftigung mit diesen Fragen erhöht sicherlich die Bereitschaft zu warten. Sie kann aber auch eine Gefahr nach sich ziehen: Den Wunsch, das Ereignis der Wiederkunft zeitlich festzulegen.<br>
 
Und nun komme ich wieder auf die „Offenbarung“ zu sprechen. Dieses Buch darf nicht wie ein „Fahrplan“ ausgelegt werden, dem man ablesen kann, wann genau das Ziel des Glaubens erreicht sein wird.<br>
 
Die Methode, die „Offenbarung“ wie einen „Fahrplan“ zu deuten, ist eigentlich schon alt. So gingen alle Vertreter der sogenannten „Periodisierung“ vor.<br>
 
Was heißt der Begriff „Periodisierung“ in diesem Zusammenhang?<br>
 
„Periodisierung“ ist der Versuch, die Zukunftsvorhersagen in der „Offenbarung“ mehreren aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zuzuordnen. Sie ist eine Methode der kirchen- und weltgeschichtlichen Auslegung der „Offenbarung“.<br>
 
Ich will an dieser Stelle bereits anmerken: Auch in der Neuapostolischen Kirche wurde diese Vorgehensweise angewandt. Besonders unter Auswertung des Buches von Apostel Schwartz „Buch für unsere Zeit“ (1872) fand sie Verbreitung. Darauf gehe ich später ein. Die zentrale Frage, die ich untersuchen möchte, lautet:<br>
Warum ist die Methode der „Periodisierung“ ungeeignet, die „Offenbarung“ zutreffend zu deuten?<br>
 
Bevor ich darauf antworte, möchte ich noch einen Blick auf die Geschichte dieser Methode werfen.<br>
 '''2. Zur Geschichte der Methode der „Periodisierung“'''<br> 
Zurück zu der Feststellung: Die Methode der „Periodisierung“ ist schon alt.
Bereits vor vielen Jahrhunderten haben einige Menschen die "Offenbarung" kirchen- und weltgeschichtlich gedeutet. Dabei gingen sie, wie gesagt, davon aus, dass in der "Offenbarung" der Verlauf der Kirchengeschichte und auch der Weltgeschichte vorhergesagt sei. Sie meinten, dass in den Bildern bestimmte Ereignisse wiederzuerkennen seien, die schon geschehen waren. Dann glaubten sie, feststellen zu können, wo ihre jeweilige Gegenwart im Ablauf der Geschichte dieses Buches anzusiedeln ist. Dies wiederum würde die Vorhersage der noch ausstehenden Ereignisse möglich machen. Unter Umständen könne sogar der Zeitpunkt berechnet werden, an dem die Geschichte dieser Welt zu Ende geht.<br> 
Einer der bekanntesten Theologen des Mittelalters, der die „Offenbarung“ in dieser Weise auslegte, war Joachim von Fiore. Er lebte von ca. 1130 bis 1202. Das Ergebnis seiner Deutung war, dass die Geschichte der Menschheit in ein Zeitalter des Vaters, ein Zeitalter des Sohnes und ein Zeitalter des Heiligen Geistes einzuhalten sei.<br>
 
Auch Martin Luther hat dieses Verfahren der Auslegung in Bezug auf die „Offenbarung“ angewendet. So deutete er z.B. das 13. Kapitel als Beschreibung der Macht des römischen Papstes verbunden mit dem deutschen Kaiser. Das Beispiel zeigt, dass diese Auslegung nicht mehr ist als eine Deutung der jeweils eigenen Zeit. Diese wurde durch die Ereignisse überholt und damit wertlos.<br>
 
Das gilt besonders für Deutungsversuche, die im deutschen Pietismus entstanden sind. Der Pietismus ist eine konservative, gefühlsbetonte Richtung im Protestantismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Hier wurden die sieben Sendschreiben (Kapitel 2 und 3), die sieben Siegel (Kapitel 6 und 7), die sieben Posaunen (Kapitel 8 und 9) und die sieben Zornschalen (Kapitel 15 und 16) als sieben Zeitabschnitte der Kirchen- und Weltgeschichte gedeutet. Komplizierte Berechnungen wurden darauf aufgebaut, um dann zu ermitteln, wann die Wiederkunft Christi erfolgen würde.<br>
Berühmtester Vertreter dieser Deutung und Berechnung der Geschichte war Johann Albrecht Bengel. Er berechnete 1741 den Beginn des tausendjährigen Reiches mit dem Kommen Christi für das Jahr 1838.<br>
 
In dieser Tradition der Deutung der „Offenbarung“ standen auch Geistliche der „Albury-Konferenzen“, die von 1826 bis 1830 stattfanden und als Keimzelle der Katholisch-apostolischen Kirche betrachtet werden können. Besonders auffällig war, dass sie den Beginn der „letzten Zeit“ mit der Französischen Revolution 1789-1792 ansahen. Unter diesen Männern waren z.B. Edward Irving und John Hooper.<br>
Die Auslegungen der Katholisch-apostolischen Kirche hat Apostel Schwartz - wie erwähnt - weitgehend übernommen. Die wichtigsten Ereignisse seiner Betrachtung sind dann in den Jahren 1950 bis 1980 in Ausarbeitungen der Apostel Rockenfelder, Startz, Kraus und Weinmann eingeflossen. Apostel Weinmann hat zudem noch genauer in der Literatur der Katholisch-apostolischen Kirche geforscht und vieles von dort übernommen.<br>
 
Bemerkenswert dabei ist, dass die Quellen nicht ausgewiesen wurden und dass man die Aussagen als endgültig betrachtete. Sie wurden schließlich Tradition und Bestandteil der neuapostolischen Lehre.<br>
Ich kann also zusammenfassen:<br>
Auch in der Neuapostolischen Kirche wurde im Verlauf ihrer Geschichte die Methode der „Periodisierung“ angewandt. Die „Offenbarung“ wurde kirchen- und weltgeschichtlich gedeutet.<br>
 
'''3. Die „Periodisierung“ – dargestellt und erläutert'''<br>
 
Ich möchte nun die Deutung der „Offenbarung“ nach der Methode der „Periodisierung“ vorstellen.<br>
 Dabei werde ich mich aus Zeitgründen und aus der Notwendigkeit, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, exemplarisch auf die sieben Sendschreiben beschränken.<br> Ich verzichte auch darauf, aufzuzeigen, dass es im Einzelnen auch gewisse unterschiedliche Festlegungen gab. Vielmehr möchte ich die Deutung der „Periodisierung“ in ihren Grundzügen darstellen, wie sie in der Neuapostolischen Kirche gelehrt wurde.<br> 
Die Grundzüge habe ich in fünf Punkten zusammengefasst:<br>
Die „Periodisierung“ nimmt im Wesentlichen fünf Festlegungen vor:<br>
 ''Festlegung 1:''
Die Geschichte entwickelt sich in sieben Zeiten.
Der Verlauf der geschichtlichen Entwicklung von der Auferstehung Christi bis zu seiner Wiederkunft erfolgt in der Abfolge von sieben Zeitabschnitten. Die sieben Sendschreiben, die sieben Siegel, die sieben Posaunen und die sieben Zornschalen entsprechen sieben Zeiten.<br>
 ''Festlegung 2:''
Jeder Zeitabschnitt entspricht der Dauer von rund 300 Jahren.
Da Jesus in das Jahr 33 christlicher Zeitrechnung gestorben und auferstanden sei, umfasst die erste Zeit die Epoche von 33 bis etwa 300. Die nächsten Zeitabschnitte beginnen demzufolge um 600, um 900, um 1200, und 1500 und um 1800. Die siebte Zeit ist dann die letzte Zeit. Zugleich ist sie die Epoche, in der wir leben.<br>
 ''Festlegung 3:''
Die Bedeutung der Namen der sieben Gemeinden der Sendschreiben erklärt den Charakter des jeweiligen Zeitabschnitts.<br>
In der Abfolge der sieben Gemeinden werden die Zeitabschnitte wie folgt gedeutet:<br>
 
1. Ephesus = Verlangen; 30-300 n. Chr.
Verlangen nach der baldigen Wiederkunft Christi. Dieses Verlangen war fast 300 Jahre lang in den Herzen lebendig.<br>
 
2. Smyrna = Bitterkeit; 300-600 n. Chr.
Das Verlangen nach der Wiederkunft Christi ist geschwunden. Enttäuschung und Bitterkeit sind in die Herzen eingezogen.<br>
 
3. Pergamus = Turmbau; 600-900 n. Chr.
Das Papsttum entwickelte sich immer mehr zu einer beherrschenden Macht in Kirche und Staat und bewirkte den Niedergang des Christentums.<br>
 
4. Thyatira = Zügelloses Fortrennen; 900-1200 n. Chr.
Die Kirche befand sich auf dem einmal eingeschlagenen Weg des Niedergangs.
5. Sardes = Überrest; 1200-1500 n. Chr.<br>
 
Von dem, was einst so blühend im Glauben stand, für das man freudig sein Leben hingab, war nur noch wenig zu finden.<br>
 
6. Philadelphia = Bruderliebe oder wohlriechender Strauch; 1500-1800 n. Chr.
Das waren die Vorboten der Reformation und die Reformatoren selbst.<br>
7. Laodizea = Volksgericht, Volksherrschaft; 1800 bis zur Wiederkunft Christi
Dies ist unsere Zeit, die Zeit der Demokratie.<br>
 ''Festlegung 4:''
Besondere Ereignisse markieren die Zäsuren zwischen den Zeitabschnitten.
Besondere Ereignisse, die den Charakter der Zeitepoche verdeutlichen, werden zur Abgrenzung zum jeweils folgenden Zeitabschnitt benutzt.<br>
 
Kurz skizziert:<br>
 
Von 1 nach 2:
325 n. Chr.: Kaiser Konstantin lässt sich taufen; das Christentum wird Staatsreligion; ca. 300 n. Chr.<br>
 
Von 2 nach 3:
622 n. Chr.: Auftreten von Mohammed („Hedschra“); ca. 600 n. Chr.<br>
 
Von 3 nach 4:
914 n. Chr.: Papst Johann X. steht in voller Waffenrüstung an der Spitze eines Heeres; ca. 300 n. Chr.<br>
 
Von 4 nach 5:
1215 n. Chr.: 4. Laterankonzil; Ketzergesetzgebung; ca. 1200 n. Chr.<br>
 
Von 5 nach 6:
1517 n. Chr.: Beginn der Reformation; ca. 1500 n. Chr.<br>
 
Von 6 nach 7:
1815 n. Chr.: Ende Napoleons 1., der Geißel Europas; ca. 1800 n. Chr.<br>
 ''Festlegung 5:''
Die letzte Zeit ist zum Ende hin offen.<br>
 
Die Zeit „Laodizea“ beginnt also mit dem Jahr 1815. Sie müsste 300 Jahre dauern. Aber die Zeit soll verkürzt werden. Hinsichtlich ihres Endes bleibt ein Fragezeichen.<br>
1. Die „Periodisierung“ ist entscheidend vom Standpunkt des Deutenden abhängig.
Beispiel:<br>
 
Wenn ich die Französische Revolution von 1789 bis 1799 als demokratische Entwicklung negativ bewerte, dann kann ich sie auch mit dem antichristlichen Wirken gleichsetzen. Wenn Napoleon für mich eine negative historische Figur ist, dann kann ich ihn auch "Geißel Europas" nennen.<br>
2. Die Zuordnung der Bedeutung der Namen der asiatischen Gemeinden zu dem Charakter des Zeitabschnitts ist problematisch. Die Wortbedeutungen sind zudem nicht klar festzulegen.<br>
 
Beispiel:<br>
Thyatira = zügelloses Fortrennen.<br>
Wissenschaftliche Werke geben die Auskunft über die Wortbedeutung: Opfertor, Opfer der Reue, Tochterstadt.
Aus diesen Übersetzungen wären ganz andere Schlüsse über den Charakter der Zeit zu ziehen.<br>
Oder:<br>
Die Deutung „Philadelphia“ als „Bruderliebe“ ist bezogen auf eine Zeit europäischer Religionskriege nicht haltbar.<br>
3. Die Konstruktion von gleichlangen Perioden macht Mühe.<br>
Beispiel:<br>
 
Die Zeit Pergamus (600-900 n. Chr.) und die Zeit Thyatira (900-1200 n. Chr.) tragen dieselben Kennzeichen. Es sei der „einmal eingeschlagene Weg des Niedergangs“.
<br>
4. Die Zuordnung von historischen Ereignissen zu jeweiligen Zeitabschnitten ist insgesamt willkürlich und manchmal sogar historisch falsch.<br>
 
Beispiel:<br>
 
914 stand der Papst Johann X. in voller Waffenrüstung an der Spitze eines Heeres. Dieses Ereignis wird als Beleg für die Machtentfaltung des Papsttums („Turmbau“) gewertet. Historisch richtig ist aber, dass der Papst völlig machtlos war. Er endete im Gefängnis, in das ihn eine einflussreiche Frau geworfen hatte.<br>
5. Unübersehbar ist die Enge europäischen Denkens.<br>
 
Die gesamte „Periodisierung“ ist aus der Sicht eines abendländischen Europäers entstanden. Für Menschen aus Asien, Afrika, Amerika und Australien, ja selbst aus Osteuropa sind wichtige Aussagen nicht nachzuvollziehen.<br>
Diese Ausführungen zeigen, dass die „Periodisierung“ ein Kind des europäischen 18. und 19. Jahrhunderts ist. Ich meine, dass sie heute nicht mehr zu halten ist. Und dies - zusammengefasst - aus Folgenden wesentlichen Gründen:<br>
1. # Die „Periodisierung“ ist gekennzeichnet durch die Meinung des Deutenden.<br>2. # Die „Periodisierung“ ist Ergebnis eurozentrischen Denkens.<br>3. # Die „Periodisierung“ will in ihren Begründungen wissenschaftlich sein; sie erfüllt diesen Anspruch aber nicht.<br>4. # Die „Periodisierung“ bleibt Spekulation.<br>5. # Die „Periodisierung“ steht als Versuch, die Wiederkunft Christi zeitlich näher zu fixieren, in der Gefahr, zur Aussage der Schrift in Widerspruch zu stehen: „Von dem Tag aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, sondern allein mein Vater“ (Matthäus 24, 36).<br> 
Dennoch muss das ursprüngliche Motiv dieser Deutungsmethode gewürdigt werden: Gläubige Männer hielten fest an der Hoffnung auf die Wiederkunft Christi. Sie wollten das Warten der Gemeinde wachhalten. In dieser Einstellung wissen wir uns mit ihnen durchaus verbunden.<br>
 
Es scheint auch kein Problem zu sein, die „Periodisierung“ als „Kind ihrer Zeit“ zu akzeptieren.<br>
Viel entscheidender sind die Fragen: Wie gehen wir mit der Tradition der Lehre um? Haben die Aussagen, die als endgültig betrachtet wurden, heute noch Bestand, weil sie von Aposteln verkündet wurden?<br>
Doch zurück zum Thema: Als Ergebnis möchte ich festhalten:<br>
 
Die Methode der „Periodisierung“ ist ungeeignet, die „Offenbarung“ zutreffend zu deuten.<br>
Wenn die Periodisierung abgelehnt werden muss, so heißt das dann nicht, dass keine andere Deutung mehr möglich sei. Es gibt sehr wohl eine Deutung, die mich überzeugt. Wir sollten nur nicht denselben Fehler machen: Wir dürfen unseren Deutungsversuch nicht als endgültige Lehre verstehen, die unverändert bleiben müsse. Wir sollten sie als das Ergebnis unserer gegenwärtigen Erkenntnis sehen. Für Aufschlüsse aus dem Heiligen Geist muss die Auslegung offen bleiben.<br>
 
Ich möchte den neuen Deutungsansatz am Beispiel der sieben Sendschreiben vorstellen. Dazu die wichtigsten Ergebnisse:<br>
 
a) Christus richtet sich in den sieben Sendschreiben an seine Gemeinde an allen Orten und zu allen Zeiten.<br>
 
Die Sendschreiben gelten allen, die auf den wiederkommenden Herrn warten.
Dazu muss man den prophetischen Charakter des Buches der „Offenbarung“ bedenken. Die sieben Sendschreiben richten sich einerseits an konkrete Gemeinden in Asien in der ersten apostolischen Zeit. Zum anderen stehen sie für die gesamte Gemeinde Christi. Darauf weist besonders die Siebenzahl hin. Die "Sieben" bezeichnet in der Offenbarung immer die Vollkommenheit das Ganze. Es geht also um die Vollzahl aller Gemeinden, also auch, um uns.<br>
 
Darum gehen auch uns alle Aussagen des Herrn in den Sendschreiben an, vor allem der Hinweis:<br>
 
„Siehe, ich komme bald!“<br>
 
Für die Praxis bedeutet das, dass alle Hinweise aus allen Sendschreiben, und nicht nur die an die Gemeinde Laodizea, zur Grundlage unseres Dienens in den Gottesdiensten genommen werden können.<br>
 
b) Die Sendschreiben geben uns Trost, damit wir im Warten auf den Herrn nicht müde werden.<br>
 
Alle Sendschreiben zeigen uns in verschiedenen Bildern: Gott herrscht uneingeschränkt. Die Macht Christi bleibt ungebrochen. Das wird sehr schön deutlich in Offenbarung 3, 7:<br>
 
„Und dem Engel der Gemeinde zu Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf“<br>
Die Sendschreiben haben die zentrale tröstliche Botschaft: Wer überwindet, hat teil am ewigen Leben und an göttlicher Herrschaft. Hier könnten nun alle sieben „Überwinder – Worte“ angeführt werden. Ich beschränke mich auf die Verheißung in Offenbarung 3, 21:<br> 
„Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und mich gesetzt mit meinem Vater auf seinen Stuhl.“
Der Herr tröstet damit, dass er verheißt, der Tod behält nicht den Sieg.
c) Die Sendschreiben mahnen zur Entscheidung für den Herrn.<br>
 
Christus mahnt, indem er sagt, was er „wider uns“ hat Und er fordert zur Busse auf. So lesen wir z. B. in Offenbarung 2, 5:<br>
 
„Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Busse und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Busse tust.“<br>
 
Wer diesem Rat nicht folgt, sich also nicht für den Herrn entscheidet, der erlebt göttliches Gericht.<br>
 
Von den Gerichten Gottes ist in der Offenbarung immer wieder zu lesen. Wir werden eindrücklich zur Entscheidung für den Herrn aufgefordert. Wir sollen Überwinder sein.<br>
Halten wir fest:<br>
 
Alles, was der Herr in den Sendschreiben sagt, gilt allen, die zu seiner Gemeinde gehören. Christus tröstet und mahnt alle, die auf sein Kommen warten - so auch uns. Wie gesagt, ich könnte nun das Ergebnis, dass die „Offenbarung“ ein Trost- und ein Mahnbuch ist, auch mit den sieben Siegeln, den sieben Posaunen und den sieben Zornschalen belegen. Nur, das würde den zeitlichen Rahmen dieses Vortrags sprengen.<br>
 
Wenn nun die Deutung der Periodisierung abgelehnt wird, so bedeutet das nicht, dass man jegliche historischen Bezüge von vornherein in Abrede stellt. Das Wesen der „Offenbarung“, ein prophetisches Buch zu sein, lässt den Schritt von der Bildlichkeit zur konkreten Ausdeutung sehr wohl zu. Nur das bedarf im Einzelnen einer sorgfältigen Vorgehensweise.<br>
Diese seit dem Mittelalter oft angewendete Vorgehensweise wurde auch in der Neuapostolischen Kirche übernommen.<br>
 
Sie ist aus wichtigen Gründen ungeeignet, die „Offenbarung" zutreffend zu deuten.
Ein neuer Ansatz der Auslegung besteht darin, dass man die „Offenbarung" als ein Trostbuch und eine Mahnung versteht. Sie gilt allen, die zur Gemeinde Christi zählen und auf das Kommen des Herrn warten.<br>
 
Der Verzicht auf die „Periodisierung" bedeutet keinen Verlust, sondern einen Gewinn. Wenn wir uns der neuen Deutung zuwenden, haben wir zwar das Problem des Umgangs mit unserer Tradition. Wir haben aber auch die Vorteile der Nähe zur Heiligen Schrift und den direkten Bezug zu jedem einzelnen Gläubigen. Wir sind offen für den Aufschluss aus dem Heiligen Geist und konzentrieren uns auf das Wesentliche: Wir warten auf den Herrn aus Sehnsucht und Liebe zu ihm - ohne jegliche Form spekulierender Begründung.<br>
 
Lasst mich mit den Worten unseres Stammapostels schließen, die er am Schluss seiner Mitteilung zur „Biblischen Zeitenrechnung“ (in: Leitgedanken, Nr. 1, Januar 1999, S. 16) geschrieben hat: „Um den Herrn täglich zu erwarten, bedürfen wir keiner Spekulationen, sondern der lebendigen Hoffnung“.<br>
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