Neuapostolisches Schisma 1921: Unterschied zwischen den Versionen

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==Brückners Situation ab Oktober 1919==  
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==Situation ab Oktober 1919==  
  
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===Brückner vs. Bischoff: Unterschiedliche Hintergründe===
 
Auffällig ist eine Ergebenheitsadresse Brückners an den Stammapostel im Oktober 1919:  
 
Auffällig ist eine Ergebenheitsadresse Brückners an den Stammapostel im Oktober 1919:  
  
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Brückners Lebensstil steht in einem deutlichen Kontrast zu dem von Johann Gottfried Bischoff, der zu dieser Zeit vergleichsweise bescheiden in Frankfurt lebt. Der Frankfurter Apostel ist fast gleich alt, hat aber einen katholischen Hintergrund, erlernte wohl das Schuhmacherhandwerk und arbeitete bis zu seinem Eintritt in den Kirchendienst zuletzt als kleiner Zigarrenhändler.  
 
Brückners Lebensstil steht in einem deutlichen Kontrast zu dem von Johann Gottfried Bischoff, der zu dieser Zeit vergleichsweise bescheiden in Frankfurt lebt. Der Frankfurter Apostel ist fast gleich alt, hat aber einen katholischen Hintergrund, erlernte wohl das Schuhmacherhandwerk und arbeitete bis zu seinem Eintritt in den Kirchendienst zuletzt als kleiner Zigarrenhändler.  
  
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===Bischoffs Umgang mit dem Stuttgarter Schisma und Kritik an Brückner===
 
Dem Stuttgarter Konflikt mit den Akteueren Paulus/Müller/Mütschele begegnet Bischoff nicht auf intellektueller Ebene sondern durch das Aufzeigen einer Bedrohungssituation:
 
Dem Stuttgarter Konflikt mit den Akteueren Paulus/Müller/Mütschele begegnet Bischoff nicht auf intellektueller Ebene sondern durch das Aufzeigen einer Bedrohungssituation:
  
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Die Notwendigkeit dieser Reaktion scheint gegeben, wenn stimmt, was Bischoff am 1. Dezember 1919 schreibt: {{Zitat|Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben, Frankfurt a.M. 1.12.1919</ref>}}  
 
Die Notwendigkeit dieser Reaktion scheint gegeben, wenn stimmt, was Bischoff am 1. Dezember 1919 schreibt: {{Zitat|Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben, Frankfurt a.M. 1.12.1919</ref>}}  
  
Im selben Rundschreiben gibt er zudem einen aufschlussreichen Brief des Frankfurter Ältesten Georg Schall wieder, den dieser am 24. November 1919 offenbar im Nachklang zu einer erlebten Predigt Bischoffs verfasste: „Anschließend an ihre Wirksamkeit vom Mittwoch las ich gestern früh mehrere Verse aus Hes. 33 vor. Dortselbst wird von der Notwendigkeit eines geschickten Mannes unter dem Volke gesprochen, welcher zu einer Zeit, ehe das Schwert durchs Land geht, die warnende Drommete bläßt. (…) Wenn wir auch nicht Tag und Stunde angeben können, dann kann es aber doch sein, daß wir nahe vor dem Kommen Jesu stehen, aber auch mit seinem Ableben muß ein jeder rechnen, da bricht dann für die Leichtfertigen endlich aber plötzlich der Tag des Gerichtes, des Schwertes herein. (…) Im weiteren Sinne ist mit Schwert zu verstehen, wenn Strömungen durch die Lande gehen, die beabsichtigen, unser Glaubensleben zu schädigen, die Kinder des Lichtes mit Irrtümern zu beschleichen, um das gesunde Glaubensleben zu verschneiden. (…) Wer diese Stimme achtet, der Drommete Hall höret, der wird leben. (…) Wer ist neutestamentlich der Mann, der die Drommete blasen soll? (…) Also ist der Mann, der von Gott in die neutestamentliche Zeitperiode gesetzt ist, Jesus Christus Gottes Sohn (…) Ich sehe in meinem Apostel zunächst den Mann der Gegenwart, auf dessen Stimme ich höre, und wenn ich mich dadurch warnen und zurechtbringen lasse, ich vor dem Verderben bewahrt werde. (…) Die Erlösung, bezw. deren Notwendigkeit, von der Sie lieber Apostel in den letzten [Gottes-]Diensten gesprochen, ist bei vielen, mit denen ich inzwischen näher in Berührung kam, tief in die Seele gedrungen.“ [12]
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Im selben Rundschreiben wird zudem ein Brief des damals ind Frankfurter tätigen Ältesten [[Georg Schall]] wiedergegeb, den dieser am 24. November 1919 offenbar im Nachklang zu einer erlebten Predigt Bischoffs verfasste:  
  
Der so gehuldigte Apostel Bischoff veröffentlich schließlich am 25. April 1920 einen Gedankengang, an dem sich die Geister scheiden werden: „Die Apostolischen der heutigen Zeit bieten sich als ungesäuerte Brote der Lauterkeit und Wahrheit an. Im Siegerlande sahen nichtapostolische Bergleute in einem Regenborgen die Worte: Siehe, ich komme bald! Eine Schwester sah und las dasselbe. Wir dürfen also nicht zaudern. (…) Die Zeit der Offenbarung und des Offenbarmachens ist gekommen. Was uns zu verstehen gegeben wird, war bis dahin noch verborgen. Profeten [Schreibweise im Original, Anm. MK] und andere, sogar Engel begehrten die Geheimnisse zu sehen, aber es wurde ihnen nicht gewährt. Jetzt ist die Zeit gekommen. (…) Enge mit einander verbunden, gehen wir ringend und bittend der Zukunft entgegen.“[13]
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{{Zitat|Anschließend an ihre Wirksamkeit vom Mittwoch las ich gestern früh mehrere Verse aus Hes. 33 vor. Dortselbst wird von der Notwendigkeit eines geschickten Mannes unter dem Volke gesprochen, welcher zu einer Zeit, ehe das Schwert durchs Land geht, die warnende Drommete bläßt. (…) Wenn wir auch nicht Tag und Stunde angeben können, dann kann es aber doch sein, daß wir nahe vor dem Kommen Jesu stehen, aber auch mit seinem Ableben muß ein jeder rechnen, da bricht dann für die Leichtfertigen endlich aber plötzlich der Tag des Gerichtes, des Schwertes herein. (…) Im weiteren Sinne ist mit Schwert zu verstehen, wenn Strömungen durch die Lande gehen, die beabsichtigen, unser Glaubensleben zu schädigen, die Kinder des Lichtes mit Irrtümern zu beschleichen, um das gesunde Glaubensleben zu verschneiden. (…) Wer diese Stimme achtet, der Drommete Hall höret, der wird leben. (…) Wer ist neutestamentlich der Mann, der die Drommete blasen soll? (…) Also ist der Mann, der von Gott in die neutestamentliche Zeitperiode gesetzt ist, Jesus Christus Gottes Sohn (…) Ich sehe in meinem Apostel zunächst den Mann der Gegenwart, auf dessen Stimme ich höre, und wenn ich mich dadurch warnen und zurechtbringen lasse, ich vor dem Verderben bewahrt werde. (…) Die Erlösung, bezw. deren Notwendigkeit, von der Sie lieber Apostel in den letzten [Gottes-]Diensten gesprochen, ist bei vielen, mit denen ich inzwischen näher in Berührung kam, tief in die Seele gedrungen.<ref>ebd.</ref>}}
  
Diesem Brief folgt zwei Wochen später ein weiterer in ähnlichem Duktus, in dem der Frankfurter auch einen Seitenhieb auf wissenschaftliche Denkweise austeilt: „Die Tage eilen hin, die Gottesverheißungen erfüllen sich mehr und mehr, denn Gott hat Interesse daran, sein Erlösungswerk zu vollenden. Diese Arbeit geschieht aber nicht durch akademische Weisheit und gelehrte Worte des menschlichen Geistes, sondern durch meinen Geist soll es geschehen, spricht der Herr. Das Sammeln ist ein Zeichen der Ernte, und wo dies geschieht, da wissen wir, wie weit wir gekommen sind. Daß wir heute in dieser Zeit stehen, muß jeder Unbefangene zugeben (…).“[14]
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Der so gehuldigte Apostel Bischoff veröffentlicht schließlich am 25. April 1920 einen Gedankengang, an dem sich die Geister scheiden werden:  
  
Es liegt nahe, dass sich Bischoff hier gezielt gegen den Dresdner Apostel wendet und sich selbst als Nachfolger für Niehaus empfiehlt. Denn inzwischen gibt es Gerüchte, Frankfurt – also Bischoff – wolle „zum Sitz des zukünftigen Stammapostels“ erhoben werden und „die Frankfurter“ würden „dieses Ziel auch in Quelle“ – also bei Niehaus – „durchsetzen“.[15] Brückner, der zuvor lange als Nachfolger Niehaus‘ gehandelt wurde[16], ist offenkundig zunehmend in die Defensive geraten.
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{{Zitat|Die Apostolischen der heutigen Zeit bieten sich als ungesäuerte Brote der Lauterkeit und Wahrheit an. Im Siegerlande sahen nichtapostolische Bergleute in einem Regenborgen die Worte: Siehe, ich komme bald! Eine Schwester sah und las dasselbe. Wir dürfen also nicht zaudern. (…) Die Zeit der Offenbarung und des Offenbarmachens ist gekommen. Was uns zu verstehen gegeben wird, war bis dahin noch verborgen. Profeten [Schreibweise im Original, Anm. MK] und andere, sogar Engel begehrten die Geheimnisse zu sehen, aber es wurde ihnen nicht gewährt. Jetzt ist die Zeit gekommen. (…) Enge mit einander verbunden, gehen wir ringend und bittend der Zukunft entgegen.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben vom 25.04.1920, Frankfurt a.M. </ref>}}
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Diesem Brief folgt zwei Wochen später ein weiterer in ähnlichem Duktus, in dem der Frankfurter auch einen Seitenhieb auf wissenschaftliche Denkweise austeilt:
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{{Zitat|Die Tage eilen hin, die Gottesverheißungen erfüllen sich mehr und mehr, denn Gott hat Interesse daran, sein Erlösungswerk zu vollenden. Diese Arbeit geschieht aber nicht durch akademische Weisheit und gelehrte Worte des menschlichen Geistes, sondern durch meinen Geist soll es geschehen, spricht der Herr. Das Sammeln ist ein Zeichen der Ernte, und wo dies geschieht, da wissen wir, wie weit wir gekommen sind. Daß wir heute in dieser Zeit stehen, muß jeder Unbefangene zugeben (…).<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben vom 2.05.1920, Frankfurt a.M.</ref>}}
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Es liegt nahe, dass sich Bischoff hier gezielt gegen den Dresdner Apostel wendet und sich selbst als Nachfolger für Niehaus empfiehlt. Inzwischen gibt es Gerüchte, Frankfurt – also Bischoff – wolle „zum Sitz des zukünftigen Stammapostels“ erhoben werden und „die Frankfurter“ würden „dieses Ziel auch in Quelle“ – also bei Niehaus – „durchsetzen“.[15] Brückner, der zuvor lange als Nachfolger Niehaus‘ gehandelt wurde[16], ist offenkundig zunehmend in die Defensive geraten.
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===Apostelversammlung vom Oktober 1920 - Bischoff wird zum Nachfolger Niehaus designiert===
  
 
Am 10. Oktober soll schließlich eine Apostelversammlung stattfinden, auf der die Nachfolgerfrage für Niehaus geklärt werden soll. Wohl erst kurz vor dieser Veranstaltung wurde auch Brückner nach eigener Darstellung über die Absicht dieser Versammlung informiert und gebet, einen Nachfolger vorzuschlagen. Er nannte sodann den Apostel van Oosbree. Brückners Mitapostel Ecke wurde gar nicht um einen Vorschlag gebeten.[17] Im Zusammenhang mit seiner Antwort mit dem Vorschlag van Oosbree distanziert sich Brückner deutlich von Bischoff, indem er Niehaus mitteilt: „wenn die Wahl auf Frankfurt fiele, würde ich mir die Freiheit meiner Handlungen vorbehalten müssen. Warum? Weil die Richtung, die Frankfurt zur Schau trägt, in meinem ganzen Brüderkreise nicht zusagt (…)“[18]
 
Am 10. Oktober soll schließlich eine Apostelversammlung stattfinden, auf der die Nachfolgerfrage für Niehaus geklärt werden soll. Wohl erst kurz vor dieser Veranstaltung wurde auch Brückner nach eigener Darstellung über die Absicht dieser Versammlung informiert und gebet, einen Nachfolger vorzuschlagen. Er nannte sodann den Apostel van Oosbree. Brückners Mitapostel Ecke wurde gar nicht um einen Vorschlag gebeten.[17] Im Zusammenhang mit seiner Antwort mit dem Vorschlag van Oosbree distanziert sich Brückner deutlich von Bischoff, indem er Niehaus mitteilt: „wenn die Wahl auf Frankfurt fiele, würde ich mir die Freiheit meiner Handlungen vorbehalten müssen. Warum? Weil die Richtung, die Frankfurt zur Schau trägt, in meinem ganzen Brüderkreise nicht zusagt (…)“[18]

Version vom 27. Februar 2017, 14:44 Uhr