Brautzug
Als Brautzug wird im neuapostolischen Sprachgebrauch die Schar der Gläubigen gemeint, die dem Stammapostel zum Glaubensziel nachfolgen und als zukünftige Brautgemeinde zählt.
Inhaltsverzeichnis
Deutung
Der Brautzug (im Sinne einer laufenden Schar von Personen) geht zurück auf das Gleichnis Jesu von den zehn Jungfrauen, welche dem Bräutigam entgegenzogen, wobei fünf Jungfrauen bei dem Losziehen, dem Bräutigam entgegen, nicht bereit waren und an der Hochzeit nicht teilnehmen konnten. Die frühe Deutung der apostolischen Gemeinden zeigt auf, dass es sich bei dem Brautzug um die Schar der Brautgemeinde handelt, die beim Heimholen der Braut zur Hochzeit im Himmel zieht. In der Neuapostolischen Kirche symbolisierte ab der Zeit des Stammapostel J.G. Bischoff der Brautzug als sinnbildlich gemeinter abfahrender Zug (Lok mit Personenwaggons) das Kommen des Herrn Jesu und die Abfahrtzeit den Zeitpunkt seiner Wiederkunft, wobei jene Insassen die Brautgemeinde ausmachen, welche der Hochzeit im Himmel zufahren. In den 1980er Jahren wandelte sich dieses Bild und spätestens ab Stammapostel Richard Fehr symbolisiert der Brautzug die bereits fahrende Brautgemeinde, welche auf dem Weg zum Glaubensziel ist, wobei der Lokführer der jeweilige Stammapostel ist, welcher die Schar leitet. Nun wird in Gottesdiensten und Deutungen vermehrt darauf eingegangen im Zug zu bleiben und nicht auszusteigen.
Geschichte
Besonders zur Zeit der Botschaft von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff wurde der Begriff Brautzug gelegentlich genutzt. Man verwandte ihn aber in der Regel noch doppeldeutig als einerseits eine Schar Menschen die in den Hochzeitssaal zeiht sowie als ein tatsächlich abfahrender Zug mit freien Plätzen in den Abteilen. In jener Zeit schrieb der Komponist Karl Müller auch das Lied Der Brautzug (siehe unten), hier aber wiederum im Verständnis einer ziehenden Schar. Typischerweise wurden Träume erzählt, in denen der nun neu gedeutete Brautzug eine besondere Rolle einnahm. So zum Beispiel 1958 in der Zeitschrift Unsere Familie:
„Noch vor kurzem wurde mir berichtet, daß die Frau eines treuen Priesters nach einer anderen Seite hing und die Verbindung mit jenem Geiste nicht aufgehen wollte. Sie träumte, daß sie mit einem Sonderzug fahren wollte. Als sie an die Sperre kam und ihre Fahrkarte vorzeigte, da sagte der Beamte: Sehen Sie denn nicht, die Fahrkarte ist ungültig, die ist ja durchgestrichen. Mit der Karte können Sie noch nicht einmal den Zug des Sonnenweibes benutzen, geschweige denn den Brautzug. Sie ging zurück, um eine andere Karte zu holen. Als sie danach wieder auf den Bahnsteig kam, war der Sonderzug längst eingefahren und setzte sich gerade wieder in Bewegung. Sie kam nicht mehr mit und stand da und weinte. Es war zu spät. Nachdem ich das gelesen hatte, dachte ich an das Wort des Herrn, als er von den zehn Jungfrauen sprach, wovon fünf töricht sind. Während sie hingingen, das ihnen Fehlende zu erwerben, kam der Bräutigam, aber nur die bereit waren, gingen mit ihm ein zur Hochzeit und die Türe ward verschlossen. Die Törichten kamen vor die verschlossene Türe, und es war keine Möglichkeit, daß die Tür noch einmal aufgetan wurde. Das sind für uns Warnungen, vorsichtig zu sein.[1]“
In den 1940-er Jahren wurde ein Traum eines Glaubensbruders der Neuapostolischen Kirche veröffentlicht, wonach jener den Stammapostel Bischoff an einem Bahnsteig sah, mit ihm viele Menschen die in den Zug einstiegen, aber auch einige, die noch nicht wollten. Der Zug fuhr mit dem Stammapostel ab und auf der Anzeigetafel stand die Abfahrtzeit in der Form eines Jahres, wobei die letzte Zahl verdeckt war. Der Träumende sah die Zahlen 194?. Dies wurde als Hinweis darauf gesehen, dass der Herr bis spätestens 1949 wiederkommen würde. Der ehemalige Vorsteher der Gemeinde Duisburg-Mitte, Evangelist Himmelberg berichtete:
„Vor Jahren erhielten wir ein Gesicht aus dem Bezirk Bremen, überschrieben "Der Brautzug". Das "Geschaute" war von einem Manne, der in allen Einzelheiten die Entrückung der Braut Christi schilderte. Da es in Ämterstunden und Familienabenden verlesen wurde, dürfte es noch allgemein in Erinnerung sein. - Aus einer Begegnung unseres Ältesten mit einem Freund dieses Amtsbruders erfuhren wir später, daß das "Gesicht" frei erfunden war. Der Mann, der leider auf schiefer Bahn endete, hielt es während eines Tiefstandes in seinem bewegten Leben doch wohl für notwendig, mit dieser "Offenbarung" sein Ansehen zu retten.[2]“
Auch Stammapostel Walter Schmidt sprach vom Brautzug und führte 1970 einmal aus, dass der Zug auch längere Zeit durch einen Tunnel fahren könne, der Heilige Geist aber den Zug hell erleuchte. Der Tunnel, so Schmidt, sei zwar unangenehm aber der kürzeste Weg zum Ziel - ebenso gäbe es für die Braut unangenehme und dunkle Tage. Er schloss mit den Worten
„Darum braucht uns vor keiner Bewährungsprobe bange zu sein. Ihr Ende ist näher, als wir glauben, und auflerdem sind wir ja im Brautzug nicht allein![3]“
Stammapostel Ernst Streckeisen betonte die Fahrkarte für den Brautzug in einem Schreiben an die Jugend 1977:
„Lebe Jugend, ihr habt durch die heilige Versiegelung eine Fahr- und Platzkarte für den Brautzug erhalten. Was haben wir denn auf dem Müllwagen zu suchen? Unsere Karte ist nicht für den Leichenwagen bestimmt. Steigt ja nicht aus, bald ist das Ziel erreicht![4]“
Ebenfalls 1977 predigte Streckeisen in Hamburg beispielsweise:
„Wir salben unsere Augen mit Augensalbe, daß wir die Zeit richtig ablesen, denn wenn der Brautzug weg ist, gibt es keine Entschuldigungen. Da kann man nicht sagen, ja, wenn ich das gewußt hätte, dann wäre ich auch schneller gelaufen. Das ist dann zu spät, und es ist ein böses Wort, wenn man hören mufl: Zu spät![5]“
Spätestens mit Stammapostel Richard Fehr änderte sich die Definition des Brautzuges. War es vorher notwendig die Abfahrt des sinnbildlichen Zuges zu schaffen und eine Fahrkarte zu haben, so wandelte sich die Erläuterung nun dahingehend, dass der Zug bereits mit der Brautgemeinde unterwegs ist. Nun war es notwendig, zuzusteigen und nicht mehr auszusteigen. Der Begriff Aussteiger erlangte ab hier eine doppelte Bedeutung. Der Zugführer war nun der jeweilige Stammapostel und die Gemeinde gewillt mit ihm den Weg zum Glaubensziel zu fahren.
Schon kurz nach der Amtseinsetzung Fehrs zum Stammapostel äußerte sich dieser dazu wie folgt:
„In den letzten drei Wochen seit diesem denkwürdigen Zusammensein bei unserem Stammapostel am 28. August fühlte ich mich ebenfalls wie auf einem fahrenden Zug ... Ja, aber wohin sollte ich springen? Auch ich will mit euch, ihr Brüder und Schwestern, ans Ziel der Verheißung! Der Brautzug nähert sich immer mehr der himmlischen Heimat. Deshalb konnte ich nur sagen: Dem Stammapostel und dem Werke Gottes zuliebe habe ich diesen Auftrag angenommen.[6]“
Maßgeblich fand der Begriff zuletzt mit dem Gottesdienst des Stammapostels Richard Fehr am 14. Januar 1990 in Augsburg den prägenden Einzug in den Sprachgebrauch.
Richard Fehr sagte 1990 in Augsburg:
„Ihr lieben Brüder und Schwestern, wir müssen im Zug bleiben, wenn wir ans Ziel kommen wollen. Selbst wenn wir einmal in eine Gegend kommen, die wir nicht kennen, wollen wir im Zug bleiben. Es ist wichtig, dass wir im richtigen Zug sind und nicht aussteigen, bevor wir am Ziel sind. ... Ihr lieben Brüder und Schwestern, wir wollen nicht zu früh aus dem Brautzug aussteigen! Auch heute werden wir gewarnt: Vorsicht, bleibt im Zug, wir sind noch nicht am Ziel! Aber wir kommen nach Hause![7]“
Bezirksapostel Karl Kühnle führte anschließend weiter aus:
„Liebe Geschwister, wir bleiben in diesem Zug, denn bald kommt die freie Einfahrt, das Signal für die Gotteskinder, für die Getreuen, die im Brautzug geblieben sind: Gehet ein zu eures Herrn Freude.[8]“
Im Anschluss an den Gottesdienst malten und bastelten in den folgenden Wochen Dutzende Sonntagsschul- und Vorsonntagsschulkinder Bilder von dem sinnbildlichen Brautzug. Meist waren dabei Kinderfotos in den Waggons und als Lokführer der Stammapostel abgebildet. Die Arbeiten der Kinder wurden in dem Buch Echo aus dem Herzen der Kinder zum Thema "Brautzug", angeregt durch die Ausführungen des Stammapostels R. Fehr am 14. Januar 1990 in Augsburg abgedruckt und vertrieben.
Vereinzelt lassen sich solche Deutungen und Bastelarbeiten bis heute in der Neuapostolischen Kirche finden, so zum Beispiel in einer Berichterstattung der Neuapostolischen Kirche Rüsselsheim vom 12. März 2005:
„Die Verziehrung (des Altars) stand unter dem Motto "Der Brautzug zum Hochzeitssaal". Unter diesem Motto wurde von den Kindern eine Eisenbahn aus Papier ausgeschnitten. In das Führerhaus der Lokomotive kam das Bild des Stammapostels und in das Fenster des ersten Wagen das Bild unseres Gemeindevorstehers. In die übrigen Fenster des Zeuges schrieben die Kinder ihre Namen.[9]“
Zu Pfingsten 2013, bei dem Ordinationsgottesdienst des Stammapostel Jean-Luc Schneider, fand der Brautzug abermals Einzug in einer beachteten Stammapostelpredigt. So berichtete er, dass er eine Woche mit dem damaligen Stammapostel Leber in Augsburg (die Gemeinde, wo Stammapostel Fehr 1990 vom Brautzug predigte) von Kindern begrüßt wurde. Jene hatten einen Zug gebastelt und als Fahrgäste Fotos von sich sowie als Zugführer ein Foto vom Stammapostel verwendet hatten. Stammapostel Schneider ging auf dieses Bild ein und erklärte, dass der Brautzug unvermindert weiterfahren und nur der Lokführer getauscht werden würde. Er versichere, dass der Brautzug weiterhin dem Ziele zufahren würde.
Vertonung
Der Brautzug ist eine Vertonung des Komponisten Karl Müller, welcher das Lied zum 5. August 1951 komponierte. Es wurde an diesem Tage zum Festgottesdienst in Frankfurt uraufgeführt. Das Lied war bis Herbst 2013 Bestandteil der Chormappe:
„Nun rüstet die Braut sich zur Heimat zu ziehn, / zur himmlischen Heimat so fern. / Der irdischen Knechtschaft und Welt zu entfliehn, / zu ihrem Erlöser und Herrn. - Es ziehet nach oben die himmlische Braut, / zum Lande des Lichtes, zur Quelle so traut. / Es mahnt Elieser die Seinen zur Eil', / zur Ehre des Höchsten, zu unserem Heil.“
Referenzen
- ↑ Unsere Familie, 18. Jahrgang, Nr. 3, Seite 65
- ↑ Schreiben des E. Himmelberg vom 15. März 1955
- ↑ Amtsblatt 1970, Ausgabe 17 vom 1. September 1970
- ↑ Der Jugendfreund, 40. Jahrgang, Nr. 7 vom 1. Juli 1977, Seite 49
- ↑ Unsere Familie, 37. Jahrgang, Nr. 3 vom 5. Februar 1977
- ↑ Wächterstimme aus Zion, 85. Jahrgang vom 1. Dezember 1987
- ↑ Bericht über den Gottesdienst des Stammapostels Richard Fehr, gehalten am 14. Januar 1990 in Augsburg
- ↑ Bericht über den Gottesdienst des Stammapostels Richard Fehr, gehalten am 14. Januar 1990 in Augsburg
- ↑ nak-ruesselsheim.de - Altarschmuck von den Kindern