Neuapostolisches Schisma 1921: Unterschied zwischen den Versionen

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==Brückners Situation ab Oktober 1919==  
 
==Brückners Situation ab Oktober 1919==  
  
Auffällig ist eine Ergebenheitsadresse Brückners an den Stammapostel im Oktober 1919. „… Ich habe dagegen mein Leben lang das für ausschlaggebend gehalten, was mir mein Apostel lehrte, früher Stammapostel Krebs, heute Stammapostel Niehaus, und mein Haus steht fest und wird solange auch fest bleiben, es wird keinen Fall tun, solange ich von diesem Felsengrund nicht abweiche. (…) Diesen Felsengeist Christi in meinem Apostel (Niehaus) werde ich auch nicht verlassen und ich versehe mich der guten Zuversicht: keiner der Amtsbrüder in meinem Bezirk auch nicht, damit unser Haus fest stehe in Zeit und Ewigkeit.“ Offenbar gibt es Gerüchte, dass Brückner nicht mehr auf der Linie des Stammapostel sei, denn er schreibt weiter: „Darum kann ich nur warnen, böse Geschwätze verderben gute Sitten.“[9]
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Auffällig ist eine Ergebenheitsadresse Brückners an den Stammapostel im Oktober 1919:  
  
Es ist ein Indiz dafür, dass er unter den Mitapostel und den neuapostolischen Gläubigen angeschlagen ist und sich nun deshalb demonstrativ hinter Stammapostel Niehaus stellt. Einen Brief an Stammapostel Niehaus in dieser Zeit unterzeichnet er mit „Ihr ergebenster dankbarer Sohn“. Darin verteidigt er sich gegen zahlreiche Vorwürfe, die Dritte gegen ihn erhoben. Auch machen inzwischen viele Gerüchte über ihn die Runde, worauf er mit einer Erklärung vom 14. November 1919 reagiert, in der er 14 Punkte thematisiert. Es geht um Geld und Status: „1. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, in meinem Bezirk sei für M 7000,- Wein verkauft worden, wo in Wirklichkeit absolut keiner verkauft worden ist. 2. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, die Hostien seien mit Himbeersaft getränkt worden in meinem Bezirk. (…) 3. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte gesagt, ich sei Christus. () 6. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte meinem Sohne eine Ausstattung von M 15000,- gekauft. Ich habe meinem Sohne keinen einzigen Pfennig für seine Ausstattung gegeben können, weil ich kein Barvermögen habe. (…) 9. Ueble böswillige Nachrede ist es, wenn gesagt wird, ich fahre Auto, wo ich doch nur äusserst selten mal vom Bahnhof zu einem Dienst gefahren bin, meist, wenn ich zu spät ankam und es um der Gemeinde wegen nötig war. In den meisten Fällen laufe ich, weil ich die körperliche Bewegung liebe.
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{{Zitat|… Ich habe dagegen mein Leben lang das für ausschlaggebend gehalten, was mir mein Apostel lehrte, früher Stammapostel Krebs, heute Stammapostel Niehaus, und mein Haus steht fest und wird solange auch fest bleiben, es wird keinen Fall tun, solange ich von diesem Felsengrund nicht abweiche. (…) Diesen Felsengeist Christi in meinem Apostel (Niehaus) werde ich auch nicht verlassen und ich versehe mich der guten Zuversicht: keiner der Amtsbrüder in meinem Bezirk auch nicht, damit unser Haus fest stehe in Zeit und Ewigkeit.“ Offenbar gibt es Gerüchte, dass Brückner nicht mehr auf der Linie des Stammapostel sei, denn er schreibt weiter: „Darum kann ich nur warnen, böse Geschwätze verderben gute Sitten.<ref>In: Bischoff, J.G.: Rundschreiben C.B. Nr. 31, Frankfurt a.M. 27.10.1919</ref>}}
  
Festgehalten werden kann an dieser Stelle: Brückner ist nach diesem November massiv geschwächt. Die Zeiten haben sich geändert und ein anderer Apostel wirbt um die Gunst des Stammapostels, der Frankfurter Johann Gottfried Bischoff. – Bischoff ist fast gleich alt, hat aber einen katholischen Hintergrund und arbeitete beruflich zuletzt als kleiner Zigarrenhändler bis er in den Dienst der Kirche trat. Gegensätzlicher könnte das Verhältnis nicht sein.
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Es ist ein Indiz dafür, dass er unter den Mitapostel und den neuapostolischen Gläubigen angeschlagen ist und sich nun deshalb demonstrativ hinter Stammapostel Niehaus stellt. Einen Brief an Stammapostel Niehaus in dieser Zeit unterzeichnet er mit „Ihr ergebenster dankbarer Sohn“. Darin verteidigt er sich gegen zahlreiche Vorwürfe, die offenbar Dritte gegen ihn erhoben haben. Auch machen inzwischen viele Gerüchte über ihn die Runde, worauf er mit einer Erklärung vom 14. November 1919 reagiert, in der er 14 Punkte thematisiert. Es geht um Geld und Status:
  
Es ist der Apostelbezirk des Frankfurters, in dem der Paulus/Müller/Mütschele-Konflikt tobt. Aber Bischoff ist keiner, der sich einer solchen Auseinandersetzung auf intellektueller Ebene stellt. Er wählt einen anderen Weg: „Der Herr Jesu hat einst von einer Zeit gesprochen, die sehr gefährlich werden würde, wo auch die Auserwählten in Gefahr seien (…). Wir sehen und erkennen, daß diese gefahrvolle Zeit, wo unsere Seligkeit in Frage gestellt ist, begonnen hat. Wer Geistesempfindungen hat, um zu erkennen, wo der Wind des Geistes der Zeit herkommt, wer offene Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, der erkennt, es ist eine ernste Zeit, voller Gefahren und Versuchungen für diejenigen, die das Panier des Glaubens hochhalten und Gott in seinen Taten der gegenwärtigen Zeit erkennen und folgen. (…) Die Zeit ist da, wo alle Geister offenbar werden und sich dann zu ihren Gleichgesinnten sammeln, damit offenbar wird, wessen Geistes Kinder sie sind. Wer vom Geiste Christi erfüllt ist, der bleibt bei uns, denn wir haben Christi Sinn. Die Zeit ist gekommen, in der die Geister ihre Maske fallen lassen und treten hervor, als das was sie sind.“ [10]
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{{Zitat|1. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, in meinem Bezirk sei für M 7000,- Wein verkauft worden, wo in Wirklichkeit absolut keiner verkauft worden ist. 2. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, die Hostien seien mit Himbeersaft getränkt worden in meinem Bezirk. (…) 3. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte gesagt, ich sei Christus. (…) 6. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte meinem Sohne eine Ausstattung von M 15000,- gekauft. Ich habe meinem Sohne keinen einzigen Pfennig für seine Ausstattung gegeben können, weil ich kein Barvermögen habe. (…) 9. Ueble böswillige Nachrede ist es, wenn gesagt wird, ich fahre Auto, wo ich doch nur äusserst selten mal vom Bahnhof zu einem Dienst gefahren bin, meist, wenn ich zu spät ankam und es um der Gemeinde wegen nötig war. In den meisten Fällen laufe ich, weil ich die körperliche Bewegung liebe.<ref>Brückner, C.A.: Erklärung vom 14. November 1919, Dresden</ref>}}
  
Es ist ein bekanntes Rezept: Eine Bedrohung wird beschworen um den Zusammenhalt zu bewirken. Die Notwendigkeit scheint gegeben, wenn stimmt, was Bischoff am 1. Dezember 1919 schreibt: „Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.“[11]
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Brückner, der tatsächlich in einem damaligen [https://de.wikipedia.org/wiki/Blasewitz Villenvorort von Dresden] lebt<ref>Brückners Briefe haben zu dieser Zeit die Ortsangabe Blasewitz. Die genaue Postadresse wird noch recherchiert; falls jemand ein Bild vom Wohnhaus Brückners hat - wir  sind dankbar. [M. Koch]</ref>, genießt also einen gewissen Wohlstand, der auf Kritik stößt. Im Jahr 1919 einen PKW zu besitzen war beispielsweise etwas äußerst ungewöhnliches. Die Autoindustrie stellte damals vor allem Kraftwagen für den öffentlichen Transport her, wohingegen die Produktion von PKWs nach dem 1. Weltkrieg nur langsam anlief.<ref>vgl. http://www.was-war-wann.de/1900/1910/autojahr-1919.html</ref> Entsprechend teuer dürfte also ein solcher Wagen in der Anschaffung damals gewesen sein.
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Brückners Lebensstil steht in einem deutlichen Kontrast zu dem von Johann Gottfried Bischoff, der zu dieser Zeit vergleichsweise bescheiden in Frankfurt lebt. Der Frankfurter Apostel ist fast gleich alt, hat aber einen katholischen Hintergrund, erlernte wohl das Schuhmacherhandwerk und arbeitete bis zu seinem Eintritt in den Kirchendienst zuletzt als kleiner Zigarrenhändler.
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Dem Stuttgarter Konflikt mit den Akteueren Paulus/Müller/Mütschele begegnet Bischoff nicht auf intellektueller Ebene sondern durch das Aufzeigen einer Bedrohungssituation:
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{{Zitat|Der Herr Jesu hat einst von einer Zeit gesprochen, die sehr gefährlich werden würde, wo auch die Auserwählten in Gefahr seien (…). Wir sehen und erkennen, daß diese gefahrvolle Zeit, wo unsere Seligkeit in Frage gestellt ist, begonnen hat. Wer Geistesempfindungen hat, um zu erkennen, wo der Wind des Geistes der Zeit herkommt, wer offene Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, der erkennt, es ist eine ernste Zeit, voller Gefahren und Versuchungen für diejenigen, die das Panier des Glaubens hochhalten und Gott in seinen Taten der gegenwärtigen Zeit erkennen und folgen. (…) Die Zeit ist da, wo alle Geister offenbar werden und sich dann zu ihren Gleichgesinnten sammeln, damit offenbar wird, wessen Geistes Kinder sie sind. Wer vom Geiste Christi erfüllt ist, der bleibt bei uns, denn wir haben Christi Sinn. Die Zeit ist gekommen, in der die Geister ihre Maske fallen lassen und treten hervor, als das was sie sind.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben C.B. Nr. 34, Frankfurt a.M. 19.11.1919</ref>}}
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Die Notwendigkeit dieser Reaktion scheint gegeben, wenn stimmt, was Bischoff am 1. Dezember 1919 schreibt: {{Zitat|Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben, Frankfurt a.M. 1.12.1919</ref>}}
  
 
Im selben Rundschreiben gibt er zudem einen aufschlussreichen Brief des Frankfurter Ältesten Georg Schall wieder, den dieser am 24. November 1919 offenbar im Nachklang zu einer erlebten Predigt Bischoffs verfasste: „Anschließend an ihre Wirksamkeit vom Mittwoch las ich gestern früh mehrere Verse aus Hes. 33 vor. Dortselbst wird von der Notwendigkeit eines geschickten Mannes unter dem Volke gesprochen, welcher zu einer Zeit, ehe das Schwert durchs Land geht, die warnende Drommete bläßt. (…) Wenn wir auch nicht Tag und Stunde angeben können, dann kann es aber doch sein, daß wir nahe vor dem Kommen Jesu stehen, aber auch mit seinem Ableben muß ein jeder rechnen, da bricht dann für die Leichtfertigen endlich aber plötzlich der Tag des Gerichtes, des Schwertes herein. (…) Im weiteren Sinne ist mit Schwert zu verstehen, wenn Strömungen durch die Lande gehen, die beabsichtigen, unser Glaubensleben zu schädigen, die Kinder des Lichtes mit Irrtümern zu beschleichen, um das gesunde Glaubensleben zu verschneiden. (…) Wer diese Stimme achtet, der Drommete Hall höret, der wird leben. (…) Wer ist neutestamentlich der Mann, der die Drommete blasen soll? (…) Also ist der Mann, der von Gott in die neutestamentliche Zeitperiode gesetzt ist, Jesus Christus Gottes Sohn (…) Ich sehe in meinem Apostel zunächst den Mann der Gegenwart, auf dessen Stimme ich höre, und wenn ich mich dadurch warnen und zurechtbringen lasse, ich vor dem Verderben bewahrt werde. (…) Die Erlösung, bezw. deren Notwendigkeit, von der Sie lieber Apostel in den letzten [Gottes-]Diensten gesprochen, ist bei vielen, mit denen ich inzwischen näher in Berührung kam, tief in die Seele gedrungen.“ [12]  
 
Im selben Rundschreiben gibt er zudem einen aufschlussreichen Brief des Frankfurter Ältesten Georg Schall wieder, den dieser am 24. November 1919 offenbar im Nachklang zu einer erlebten Predigt Bischoffs verfasste: „Anschließend an ihre Wirksamkeit vom Mittwoch las ich gestern früh mehrere Verse aus Hes. 33 vor. Dortselbst wird von der Notwendigkeit eines geschickten Mannes unter dem Volke gesprochen, welcher zu einer Zeit, ehe das Schwert durchs Land geht, die warnende Drommete bläßt. (…) Wenn wir auch nicht Tag und Stunde angeben können, dann kann es aber doch sein, daß wir nahe vor dem Kommen Jesu stehen, aber auch mit seinem Ableben muß ein jeder rechnen, da bricht dann für die Leichtfertigen endlich aber plötzlich der Tag des Gerichtes, des Schwertes herein. (…) Im weiteren Sinne ist mit Schwert zu verstehen, wenn Strömungen durch die Lande gehen, die beabsichtigen, unser Glaubensleben zu schädigen, die Kinder des Lichtes mit Irrtümern zu beschleichen, um das gesunde Glaubensleben zu verschneiden. (…) Wer diese Stimme achtet, der Drommete Hall höret, der wird leben. (…) Wer ist neutestamentlich der Mann, der die Drommete blasen soll? (…) Also ist der Mann, der von Gott in die neutestamentliche Zeitperiode gesetzt ist, Jesus Christus Gottes Sohn (…) Ich sehe in meinem Apostel zunächst den Mann der Gegenwart, auf dessen Stimme ich höre, und wenn ich mich dadurch warnen und zurechtbringen lasse, ich vor dem Verderben bewahrt werde. (…) Die Erlösung, bezw. deren Notwendigkeit, von der Sie lieber Apostel in den letzten [Gottes-]Diensten gesprochen, ist bei vielen, mit denen ich inzwischen näher in Berührung kam, tief in die Seele gedrungen.“ [12]  

Version vom 27. Februar 2017, 14:25 Uhr