Änderungen

Aus APWiki
Wechseln zu:Navigation, Suche

Neuapostolisches Schisma 1921

5.777 Bytes hinzugefügt, 22:06, 20. Apr. 2020
BEarbeitungshinweis entfernt
{{in Bearbeitung}}
[[Datei:Schisma1921_Briefkopf_1.JPG|thumb|500px|Briefkopf der Neuapostolischen Gemeinde um 1920]]Das '''Neuapostolische Schisma 1921''' bezeichnet eine ab dem Jahr [[1921]] vollzogene Kirchenspaltung der [[Neuapostolische Gemeinde|Neuapostolischen Gemeinde]], im Speziellen im damaligen Kirchenbezirk Leipzig unter der Führung des Apostels [[Carl August Brückner]]. Dieses Ereignis ist die größte Kirchenspaltung unter dem damaligen Kirchenleiter Stammapostel [[Hermann Niehaus]] und betraf rund 6.000 Mitglieder.
===Verhältnis Brückner und Niehaus===
[[Datei:Hermann_Niehaus.jpg|thumb|Stammapostel Hermann Niehaus]]Zwischen [[Stammapostel]] Hermann Niehaus und Apostel Carl August Brückner herrschte wohl lange Zeit ein gutes Verhältnis.<ref>vgl. [[Carl August Brückner]] - Niehaus selbst bestreitet dies später jedoch, folgt man einer historisch schwierig einzuordnenden autobiografischen Darstellung, in der er u.a. behauptet, Brückner sei ihm nachgereist. [vgl. „Eine Lebensbeschreibung und Anfang von Gottes Werk hier“, verm. Niehaus, o.J. (1928?) o.O.]</ref> Jahrelang sollen die beiden gemeinsam durch die Kirchenbezirke gereist sein. Niehaus soll ihn quasi als rechte Hand eingesetzt haben. Es ist derzeit noch nicht erforscht, wie das persönliche Verhältnis der Beiden genau aussah. Belegt ist jedoch, dass Niehaus zusammen mit Brückner 1909 die erste Reise eines Stammapostels nach Amerika unternahm, um die neuapostolischen Gemeinden dort zu besuchen.<ref>vgl. Obst, H.: Apostel und Propheten der Neuzeit, S. 98</ref> Auch beantwortete er im Namen Niehaus Briefe, die an den Stammapostel gerichtet waren.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiertBundeskonzil des Reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil apostolischen Gemeindebundes e.V. [Hrsg.], DresdenReformiert-apostolische Botschaft, o42 Jg./Nr.J14, 15.Juli 1936, Dresden; S. 5f107 f: "Ich habe damals an den Stammapostel geschrieben und Sie haben mir damals den Brief beantwortet."</ref>
In einem Rundschreiben vom Februar 1919 teilt der Dresdner Bezirksapostel den Gemeindevorstehern mit:
{{Zitat|Gott hat uns alle Sünden geschenkt. Diese Versöhnung ist einzig und allein auf die Opfertat Christi gegründet, nicht auf irgend einer Handlung, die mit uns vorgenommen ist, nicht auf die Zugehörigkeit der Gemeinschaft, nicht auf die Apostel, sondern sie ruht einzig und allein auf dem vollbrachten Opfer von Golgatha, das wir im Glauben ergriffen haben. Wer daran glaubt und seines Glaubens lebt, der ist gerecht. (...) Es gibt nur einen Weinstock und das ist Christus, daran sind alle Erlöste, die durch ihn zu neuem Leben erweckt sind, Reben.<ref>Paulus, G.: Rundbrief vom 11. November 1918, Stuttgart</ref>}}
Dieser Stuttgarter Konflikt ist noch nicht komplett erforscht. Aus dem Zitat geht jedoch hervor, dass Paulus die Mittlerfunktion der Apostel zwischen Gott und den Menschen ablehnt. Sowohl Brückner als auch Bischoff zeigen damals Verständnis für die Kritik.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiertBundeskonzil des Reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil apostolischen Gemeindebundes e.V. [Hrsg.], DresdenReformiert-apostolische Botschaft, o42 Jg./Nr.J14, 15.Juli 1936, Dresden; S. 5f107 f: "Mein herzlich geliebter Freund und Apostel Brückner! Ihren werten Brief mit Einlagen habe ich erhalten, besten Dank. Ich freue mich, daß Sie die Brüder nicht verurteilen, die in ihrem Seelenkampf sich nun zu einer freien Aussprache entschieden haben. Mag kommen, was da will. Die Brüder haben mit allem gerechnet, ja selbst soweit, daß sie Gefahr laufen, in die Klasse Niemeyer [Niemeyer trennte sich in den Jahren davor von Niehaus, Anm. MK] geworfen zu werden; aber sie wollten sich aussprechen, gehe es dann, wie es wolle. Die Brüder verstehen lernen, das ist nun unsere Aufgabe und wie Sie schreiben, dass es jetzt Zeit ist, unsere Fehler einzusehen, um es besser zu machen. Die Zeit ist gekommen und läßt sich nicht mehr aufhalten, daß den Brüdern Raum zur freien Aussprache gegeben wird, damit sie dasjenige, was sich in denselben bewegt, aussprechen können. Wir wollen doch zur Vollendung kommen als Erstlinge; aber was heißt das? Hat Jesus uns Apostel wirklich als Erstlinge bestätigt? Haben die Apostel sich in ihren Bezirken als Erstlinge durchgerungen? Mein lieber Freund und Apostel Brückner, diese Frage müssen wir uns beantworten, ernstlich beantworten; denn das sind wir Jesum schuldig, - wir sind es uns schuldig, - wir sind es den Brüdern schuldig, - wir sind es den Gemeinden schuldig, - wir sind es der Welt schuldig."</ref>
[[Datei:Karl_Wilhelm_Mütschele.jpg|thumb|Evangelist K.W. Mütschele]]
Der Evangelist [[Karl Wilhelm Mütschele]], der aus Stuttgart stammt und dort u.a. 1905 die neuapostolische Gemeinde Bad Cannstadt mitgegründet und als Vorsteher geleitet hatte, zieht nach dem ersten Weltkrieg aus bisher unbekannten Gründen nach Leipzig und beginnt dort als Redakteur der Neuapostolischen Rundschau unter Brückner zu arbeiten. Mütschles Artikel stoßen auf Kritik, werden aber offenbar durch Brückner, der als Intellektueller gilt, lange verteidigt. - Welche Artikel dies genau sind und welche Gedanken sie enthalten, ist ebenfalls noch nicht genau erforscht. Brückner selbst schreibt dazu später rückblickend:
{{Zitat|Der Anfang reicht zurück in die Neujahrsnummer 1919. Dort erschien ein Gedicht, "auf zum Kampf" aber ohne apostolische Betonung. Viele waren dadurch enttäuscht, so kunstvoll an und für sich auch das Gedicht war, was mit der dichterischen Begabung des Verfassers ja zu erklären ist. Dann aber ging es mit dem apostolischen Bekenntnis in der Rundschau rapid abwärts. Der "Artikel über die vier Geistesämter" war im Grossen Ganzen noch als apostolisch anzusprechen, im übrigen aber wurde die Rundschau immer ärmer. Über die Gedanken zur Menschheitserlösung könnte ein ganzes Buch als Gegenzeugis geschrieben werden. Das Märchen von [https://de.wikipedia.org/wiki/Meister_Pfriem "Meister Pfirem"] aus dem Schulbuche unserer Kinder entnommen, setzte aber allem bisher dagewesenen die Krone auf. Ein allgemeiner Widerwille entstand im Leserkreise, die doch ihr Geld nicht für Abdrucke aus Schulbüchern zahlen wollten, noch für alte methodistische Kalenerausschnitte, oder für Traktatartikel nach der landläufigen Art der Bahnhofsmissionen, u.s.w. Alles ein Schmücken mit fremden Federn, in der Rundschau, was nicht dem speziell apostolischen Geisteszug entsprach und Tausende Leser nicht befriedigen konnte. Dann die Ausfälle gegen die Wissenschaft, welche wir als ebenfalls von Gott gegeben nicht so abrupfen können als ob alle Forschung teuflisch sein müsse. Seit Monaten wurden nur noch Prrdigten abgedruckt, was doch nicht sein sollte, weil die Rundschau sollte kein Sonntagspredigtblatt sein. Als ich ich dem Uebelstand suchte abzuhelfen und unter "Hermes" mich aktiv produktiv betätigte, gongen gingen meine Artikel gegen das Gewissen und gegen den Glauben des Herrn Schriftleiters.<ref>Brückner, C.A.: Cirkular Nr. 40, 30.11.1919, S. 3 f; Schreibfehler im Original. Zu berücksichtigen ist, dass Brückner im Nov. 1919 schon um seinen Ruf beim Stammapostel kämpft, was in dieses Schreiben eingeflossen sein könnte, Anm. MK</ref>}}
[[Datei:Rundschau_1919.JPG|thumb|Titelseite der Neuapostolischen Rundschau von 1919]]
Trotz dieser Feststellung setzt Brückner sich allerdings in seinem Zirkular über mehrere Seiten auf intellektueller Ebene mit dem Artikel auseinander. An keiner Stelle droht er mit einem Rauswurf des Redakteurs. Diese Art der Auseinandersetzung wird möglicherweise außerhalb seines Bezirkes als zögerliche Handlung gegenüber dem Abweichler empfunden. Stammapostel Niehaus soll nach Brückners eigener Darstellung auf eine Absetzung Mütscheles gedrängt haben.<ref>Vgl. Brückner, C.A. in: Bischoff, J.G.: Rundbrief vom 14.11.1919, Frankfurt a.M.</ref>
Auch zwischen dem Leipziger Bischof Robert Werner und Mütschele herrschte ein angespanntes Verhältnis, das sich am 5. November 1919 entlud und einen Tag später schliesslich zur Amtsenthebung, Absetzung als Redakteur und Entzug der Mitgliedschaft Mütscheles durch Brückner führte.<ref>vgl. Mütschele, K.W.: Brief an „Meine lieben Brüder und Schwestern“, Leipzig 10.11.1919, S. 1</ref> Mütschele selbst stellt den Hergang so dar:
{{Zitat|Ihr wisst selbst, wie Herr Werner mich in den 3 bezw. 4 voraufgehenden Gottesdiensten durch Lesen und Reden gebrandmarkt hatte, daß mein Wirken solle ein verführerisches sein und die Worte: satanisch und teuflisch wurden nicht gespart und fehlten in keinem Dienste. Er glaubte sicherlich, dem Apostel Brückner damit einen Dienst zu tun. Ob auch dem Herrn und seiner Wahrheit, das wird sich finden und noch offenbaren! Deutlich spach er aus, daß der Verführer innerhalb und unter der Gemeinde zu suchen sei. Als er mich nun nach langer Pause wieder einmal reden ließ, da habe ich von meiner Gewissenspficht und meinem Glaubensrecht als Evangelist Gebrauch gemacht und die Wahrheit der Dinge offenbart unter Anlehnung an das gegebene Leit- und Zeugniswort. Trotzdem ich mein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit der 4 Geistesämter abgelegt habe, die zur Vollendung des Leibes Christi, seiner Gesamtgemeinde nötig sind, bezichtigte er mich des Gegenteils mit den Worten: Ihr habt nun selbst gehört, daß der Evangelist Mütschele die Apostel verwirft. Da rief ich dazwischen: "Das ist nicht wahr." Wahrheit dagegen ist, daß die Apostel jetzt mich um des Evangeliums Jesu Christi willen verworfen haben. Wie sie aber dies nicht sagen können, arbeit man mit Mitteln, die ich meinerseits verschmähe. Und als Herr Werner den Mut aufbrachte zu sagen: Er hätte mich nicht als den Verführer gemeint und kennzeichnen wollen, da tat ich den Zwischenruf: "Nun dann sind wir uns einig." Den Gottesdiensten der letzten Zeit hatte Herr Werner selbst die Weihe geraubt durch die gegen mein Wirken in der Gemeinde gerichtete Tendenz und als er mich endlich wieder einmal zu Wort kommen ließ, da tat ich, was ich zur Ehre der Wahrheit tun mußte.<ref>Mütschele, K.W.: Brief an „Meine lieben Brüder und Schwestern“, Leipzig 10.11.1919, S. 2</ref>}}
 
Mit Mütschele verließ die Hälfte der Mitglieder die neuapostolischen Gemeinde Leipzig (Sigismundstraße).<ref>vgl. Infotafel im EG der NAK-Leipzig Mitte (Sigismundstraße); gesehen am 12.03.2017 [MK]</ref> Sie sollen sich - wie auch Paulus/Müller - dem [https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BClheimer_Verband_Freikirchlich-Evangelischer_Gemeinden Mülheimer Gemeinschaftsverband], einer pietistisch-pfingstlerischen Glaubensrichtung angeschlossen haben.<ref>Genaues muss noch untersucht werden. Mütschele war später neben Erwin Matthia offenbar Leiter der Christlichen Gemeinschaft Petersberg (Erfurt) innerhalb des Mülheimer Gemeinschaftsverbandes. [vgl. Heinz, D.: [Hrsg.]: Freikirchen und Juden im "Dritten Reich", Göttingen 2011, S. 134] Auch gab Mütschele zwischen 1930 und 1941 die Zeitschrift "Heilszeugnisse" des Mülheimer Gemeinschaftsverbandes heraus. Otto Müller und Karl Wilhelm Mütschele vertraten zudem den Mülheimer Gemeinschaftsverband bei einer Konferenz vom 10. - 13. August 1948 in Stuttgart. Der Mülheimer Gemeinschaftsverband versuchte sich hier mit den Freien pfingstlerischen Strömungen zu einigen. [vgl. Eisenlöffel, Ludwig E.: Freikirchliche Pfingstbewegung in Deutschland. Innenansichten 1945-1985, Göttingen 2006; S. 55]</ref>
==Situation ab Oktober 1919==
Offenbar gibt es Gerüchte, dass Brückner nicht mehr auf der Linie des Stammapostel sei, denn er schreibt weiter: {{Zitat|Darum kann ich nur warnen, böse Geschwätze verderben gute Sitten.<ref>In: Bischoff, J.G.: Rundschreiben C.B. Nr. 31, Frankfurt a.M. 27.10.1919</ref>}}
Es ist ein Diese Ergebenheitsadresse kann als Indiz dafürgesehen werden, dass er Brückners Rolle unter den Mitapostel Mitaposteln und den neuapostolischen Gläubigen angeschlagen ist in Frage gestellt wird und er sich nun deshalb demonstrativ hinter Stammapostel Niehaus stellt. Einen Brief an Stammapostel Niehaus in dieser Zeit unterzeichnet er mit „Ihr ergebenster dankbarer Sohn“. Darin verteidigt er sich gegen zahlreiche Vorwürfe, die offenbar Dritte gegen ihn erhoben haben. Auch machen inzwischen viele offenbar Gerüchte über ihn die Runde, worauf er mit einer Erklärung vom 14. November 1919 reagiert, in der er 14 Punkte thematisiert. Es geht in diesen Punkten um Geld finanzielle und StatusStatusfragen:
{{Zitat|1. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, in meinem Bezirk sei für M 7000,- Wein verkauft worden, wo in Wirklichkeit absolut keiner verkauft worden ist. 2. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, die Hostien seien mit Himbeersaft getränkt worden in meinem Bezirk. (…) 3. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte gesagt, ich sei Christus. (…) 6. Teuflische Lüge ist es, wenn gesagt wird, ich hätte meinem Sohne eine Ausstattung von M 15000,- gekauft. Ich habe meinem Sohne keinen einzigen Pfennig für seine Ausstattung gegeben können, weil ich kein Barvermögen habe. (…) 9. Ueble böswillige Nachrede ist es, wenn gesagt wird, ich fahre Auto, wo ich doch nur äusserst selten mal vom Bahnhof zu einem Dienst gefahren bin, meist, wenn ich zu spät ankam und es um der Gemeinde wegen nötig war. In den meisten Fällen laufe ich, weil ich die körperliche Bewegung liebe.<ref>Brückner, C.A.: Erklärung vom 14. November 1919, Dresden</ref>}}
Brückner, der tatsächlich in einem damaligen [https://de.wikipedia.org/wiki/Blasewitz Villenvorort von Dresden] lebt<ref>Brückners Briefe haben zu dieser Zeit die Ortsangabe Blasewitz. Er wohnt an der Adresse Forsthausstraße 7 [vgl. Adressbuch für Dresden und seine Vororte, Ausgabe 1919, VI. Teil Blasewitz, S. 7] </ref>, genießt also einen gewissen Wohlstand, der auf Kritik stößt. Im Jahr 1919 einen PKW zu besitzen war beispielsweise etwas äußerst ungewöhnlichesUngewöhnliches. Die Autoindustrie Automobilindustrie stellte damals vor allem Kraftwagen für den öffentlichen Transport her, wohingegen die Produktion von PKWs nach dem 1. ersten Weltkrieg nur langsam anlief.<ref>vgl. http://www.was-war-wann.de/1900/1910/autojahr-1919.html</ref> Entsprechend teuer dürfte also ein solcher Wagen in der Anschaffung damals gewesen sein.
[[Datei:IMG_6853Brückner-Haus.JPG|thumb|Wohnhaus von Ap. Brückner in Dresden]]
Brückners Lebensstil steht in einem deutlichen Kontrast zu dem von Johann Gottfried Bischoff, der zu dieser Zeit vergleichsweise bescheiden in Frankfurt lebt. Der Frankfurter Apostel ist fast gleich altgleichalt, hat aber einen katholischen Hintergrund, erlernte wohl das Schuhmacherhandwerk und arbeitete bis zu seinem Eintritt in den Kirchendienst zuletzt als kleiner Zigarrenhändler.
Gleichwohl soll Bischoff gerne im Hause Brückner eingekehrt sein und dort offenbar auch durch Vermittlung von Brückner seine Frau kennengelernt haben, wie aus einem Schreiben von Max Ecke an Bischoff hervorgeht:
 
{{Zitat|Ich habe doch die langen Jahre viel beobachtet, und habe gesehen, wie Sie, mein lieber Apostel [Bischoff], Ihre leibliche Erholung in Dresden gefunden, und welch selige Stunden und wertvolle Stunden haben Sie in dem Hause Brückner doch dürfen durchleben; Sie haben dort Ihr Lebensglück gefunden, was Ihnen doch auch der Ap. Brückner entgegengebracht hat, und das mit großer Freude.<ref>Ecke, M.: Brief an Bischoff vom 14. Januar 1921, Görliz. In: In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 73</ref>}}
===Bischoffs Umgang mit dem Stuttgarter Schisma===
Dem Stuttgarter Konflikt mit den Akteueren Akteuren Paulus/, Müller/und Mütschele begegnet J.G. Bischoff nicht auf intellektueller Ebene , sondern durch das Aufzeigen einer Bedrohungssituation:
{{Zitat|Der Herr Jesu hat einst von einer Zeit gesprochen, die sehr gefährlich werden würde, wo auch die Auserwählten in Gefahr seien (…). Wir sehen und erkennen, daß diese gefahrvolle Zeit, wo unsere Seligkeit in Frage gestellt ist, begonnen hat. Wer Geistesempfindungen hat, um zu erkennen, wo der Wind des Geistes der Zeit herkommt, wer offene Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, der erkennt, es ist eine ernste Zeit, voller Gefahren und Versuchungen für diejenigen, die das Panier des Glaubens hochhalten und Gott in seinen Taten der gegenwärtigen Zeit erkennen und folgen. (…) Die Zeit ist da, wo alle Geister offenbar werden und sich dann zu ihren Gleichgesinnten sammeln, damit offenbar wird, wessen Geistes Kinder sie sind. Wer vom Geiste Christi erfüllt ist, der bleibt bei uns, denn wir haben Christi Sinn. Die Zeit ist gekommen, in der die Geister ihre Maske fallen lassen und treten hervor, als das was sie sind.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben C.B. Nr. 34, Frankfurt a.M. 19.11.1919</ref>}}
Die Notwendigkeit dieser Reaktion scheint gegeben, wenn stimmt, was Bischoff am 1. Dezember 1919 schreibt: {{Zitat|Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben, Frankfurt a.M. 1.12.1919</ref>}}
{{Zitat|Gegenwärtig werden an Amtsbrüder und Glieder der Neuapostolischen Gemeinden von Herrn Paulus, Müller und Mütschele Aufklärungsschriften versand, um Ämter und Glieder in ihrem Glaubensleben irre zu leiten.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben, Frankfurt a.M. 1.12.1919</ref>}}  Im selben oben zitierten Rundschreiben von J.G. Bischoff wird zudem ein Brief des damals in Frankfurt tätigen Ältesten [[Georg Schall]] wiedergegeben, den dieser am 24. November 1919, offenbar im Nachklang zu einer erlebten Predigt Bischoffs , verfasste:
{{Zitat|Anschließend an ihre Wirksamkeit vom Mittwoch las ich gestern früh mehrere Verse aus Hes. 33 vor. Dortselbst wird von der Notwendigkeit eines geschickten Mannes unter dem Volke gesprochen, welcher zu einer Zeit, ehe das Schwert durchs Land geht, die warnende Drommete bläßt. (…) Wenn wir auch nicht Tag und Stunde angeben können, dann kann es aber doch sein, daß wir nahe vor dem Kommen Jesu stehen, aber auch mit seinem Ableben muß ein jeder rechnen, da bricht dann für die Leichtfertigen endlich aber plötzlich der Tag des Gerichtes, des Schwertes herein. (…) Im weiteren Sinne ist mit Schwert zu verstehen, wenn Strömungen durch die Lande gehen, die beabsichtigen, unser Glaubensleben zu schädigen, die Kinder des Lichtes mit Irrtümern zu beschleichen, um das gesunde Glaubensleben zu verschneiden. (…) Wer diese Stimme achtet, der Drommete Hall höret, der wird leben. (…) Wer ist neutestamentlich der Mann, der die Drommete blasen soll? (…) Also ist der Mann, der von Gott in die neutestamentliche Zeitperiode gesetzt ist, Jesus Christus Gottes Sohn (…) Ich sehe in meinem Apostel zunächst den Mann der Gegenwart, auf dessen Stimme ich höre, und wenn ich mich dadurch warnen und zurechtbringen lasse, ich vor dem Verderben bewahrt werde. (…) Die Erlösung, bezw. deren Notwendigkeit, von der Sie lieber Apostel in den letzten [Gottes-]Diensten gesprochen, ist bei vielen, mit denen ich inzwischen näher in Berührung kam, tief in die Seele gedrungen.<ref>ebd.</ref>}}
Bischoff zeigt mit der Veröffentlichung dieses ihn ihm huldigenden Briefes ein offenkundiges Interesse daran, seine Machtpostion Machtposition zu bekräftigen festigen oder auszubauen.
===Wiederkunft Christ - geistig oder materiell?===
{{Zitat|Nach der Theorie der Schriftgelehrtenart ist Christus für uns gestorben und es ist nun alles so gut, daß man nur noch zu sterben braucht, um jenes herrliche Reich, das in den schönsten Farben geschildert wird, zu ererben. Es ist dies eine Selbsttäuschung und Gewissenseinschläferung, wie sie nicht verhängnisvoller für den Menschen sein kann, und wer sich von den Apostolischen dieser Selbsttäuschung hingibt, der wird auch zurückbleiben müssen und nicht in Christo auferstehen können. […] Auferstehung! Die Auferstehung ist nur eine Neuerweckung des vorhandenen, zeitgemäß in das Verwesliche gekleideten Lebens in anderer, vollendeter Gestalt. […] Das eine Samenkörnchen entwickelt sich zu einem mächtigen Baume, das andere bleibt ein kleines Blümchen […]. Keines konnte sein Leben verleugnen, es mußte, durch die Sonne geweckt, offenbar werden. Das ist der untrügliche Spiegel für die Auferstehung des Menschen. Jeder wird der Wesensart des Lebens entsprechend Gestalt erhalten und die Schöpfung so sehen, wie sie der Geist zu schauen vermag dem Grade seiner Vollkommenheit gemäß. […] Je mehr nun der Geist Christi Besitz ergreift, desto größer die Geistesfülle, desto herrlicher und verklärter die Auferstehungsmöglichkeit. Sie ist dem Geiste nach zu verstehen und nicht materiell, wie viele fromme Christusverehrer, die als reine Materialisten alles materiell betrachten und die Verklärung und Auferstehung auch materiell aufgefaßt wissen wollen und alles Heil in einer materiellen Wiederkunft Christi erhoffen.<ref>Veritas [Robert Brückner?]: Ostern. In: Niehaus, H. [Hrsg.]: Neuapostolische Rundschau, 26. Jg Nr. 14, 4. April 1920, S. 58f</ref>}}
Damit wendet sich Brückner auch gegen Bischoff<ref>Der Konflik kann damit auch als Richtungsstreit interpretiert werden. Die These lautet: Brückner könnte in Teilen noch die Grundsätze des "Neuen Lichtes", dessen bedeutender Vertreter Friedrich Krebs war, vertreten haben, während Niehaus inzwischen wieder zur Schwartz'schen Lehre tendierte und mit ihm Bischoff. Zum Neuen Licht schreibt beispielsweise der niederländische Historiker Diersmann: "Nachdem Schwartz verstorben war, zeigte sich, dass sich in den deutschen ACAM-Gemeinden hinsichtlich der Lehre Änderungen ergeben hatten. Diese neue Lehre wurde innerhalb der HAZK das 'Neue Licht' genannt. Sie beinhaltete u.a., dass die Autorität der (in Deutschland) wirksamen Apostel in den Gemeinden merklich erhöht war. Ihre Worte wurden inzwischen gleichgestellt mit den Apostelworten aus dem Neuen Testament [...] Die Erwartung einer baldigen Wiederkunft von Christus verschwand bzw. veränderte sich. Der Apostel wurde 'Christus im Fleische': dadurch war eine Art Wiederkunft bereits realisiert." [Diersmann, Edwin: Nicolaas Johannes Verkruisen NJzn. und seine Apostolische Gemeinde in Den Haag. In: Rundbrief des Netzwerk Apostolische Geschichte e.V., Ausgabe Frühjahr 2017-1/2017, S. 9] Brückner äußert explizit seine Befürchtung, dass Schwartz wieder vorherrschen könnte in der neuapostolischen Lehre und offenbart damit sein Feindbild.</ref>, der noch 1918 gegenüber ihm betont hatte:{{Zitat|Ich weiss noch, dass Apostel Ruff lehrte: Über uns ist nichts! Jesus ist schon da, er ist in seinen Aposteln der Welt erschienen. Kaum war dies gelehrt, dann hiess es wieder - ja, Jesus ist wohl zur Rechten des Vaters, aber bei der Auferstehung kommt er aus den lebenden Aposteln heraus. Also, welcher Blödsinn - sagt man heute, so etwas zu lehren. Was haben wir uns dadurch doch für Feinde gemacht. Ich bin dadurch nicht schwach geworden, aber vorsichtig. Das wird mir niemand übel nehmen können. Wieviel Seelen sind heute noch in dem Wahne, dass Jesus nur in den Aposteln wohnt, obwohl es ausdrücklich heisst, dass er zur Rechten des Vaters sitzt, von dannen er kommen wird am Tage der Auferstehung.<ref>Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiertBundeskonzil des Reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil apostolischen Gemeindebundes e.V. [Hrsg.], DresdenReformiert-apostolische Botschaft, o42 Jg./Nr.J14, 15.Juli 1936, Dresden; S. 5f107 f</ref>}}
Und gerade jetzt ist diese Glaubenshoffnung für Bischoff ein willkommenes Mittel, die Reihen in seinem Bezirk zu schließen. - Zwar ist der Rundschau-Artikel unterzeichnet mit dem Kürzel "S-N", was „signiert Niehaus“ bedeutet; er wurde also vom Stammapostel gegengelesen und für die Veröffentlichung freigegeben. Doch die darin verbreitete Auffassung zur Wiederkunft Christi stößt offenkundig tatsächlich in einigen Kreisen auf Ablehnung.<ref>Am 27. Februar 1921 erläutert der auf der Seite Niehaus/Bischoff stehende Friedrich Wilhelm Krause gegenüber der Gemeinde Leipzig seine Beweggründe und sagte Witlof zufolge: „Nun würde es anders werden, denn die ganze Hoffnung Christi sei im vorigen Jahre in der Rundschau niedergetreten und das Wiederkommen des Herrn nicht nur in Frage gestellt, sondern in einer Nummer (Osternummer 1920) direkt vergeistig worden.“ [Wiltlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 103]</ref>
Bischoff veröffentlich kurze Zeit später in einem Rundschreiben an seine Amtsträger, am 25. April 1920, den folgenden Gedankengang, der eine merkwürdige Begebenheit aus dem Siegerland enthält:
{{Zitat|Die Apostolischen der heutigen Zeit bieten sich als ungesäuerte Brote der Lauterkeit und Wahrheit an. Im Siegerlande sahen nichtapostolische Bergleute in einem Regenborgen die Worte: Siehe, ich komme bald! Eine Schwester sah und las dasselbe. Wir dürfen also nicht zaudern. (…) Die Zeit der Offenbarung und des Offenbarmachens ist gekommen. Was uns zu verstehen gegeben wird, war bis dahin noch verborgen. Profeten [Schreibweise im Original, Anm. MK] und andere, sogar Engel begehrten die Geheimnisse zu sehen, aber es wurde ihnen nicht gewährt. Jetzt ist die Zeit gekommen. (…) Enge mit einander verbunden, gehen wir ringend und bittend der Zukunft entgegen.<ref>Bischoff, J.G.: Rundschreiben vom 25.04.1920, Frankfurt a.M. </ref>}}
Mit dieser Kritik war Brückner nicht allein, auch Bischoff teilte sie 1918, wenn er an Brückner schreibt<ref>Zur Quellenlages dieses Briefes sei erwähnt, dass Brückner daraus schon Ende Februar 1921 im Rahmens eines Referates vor der Gemeinde Leipzig zitiert. [vgl. Brückner, C.A.: Referat in der neuapostolischen Gemeinde Leipzig, 27.02.1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 96]</ref>:
{{Zitat|Nun zu Ihrem Briefe. Ich finde, daß derselbe gut und sachlich ist. Ich habe dazu nichts zu - noch abzutun. Er ist die volle Wahrheit. Wenn Vater [Niehaus] schreibt, alle haben recht, damit kommen wir nicht weiter. Hier heißt es - erkennen, worinnen wir gefehlt und es besser machen. Die Erkenntnis muß auf unauffälligem Wege in das Gemeindebecken geleitet werden, damit kein Unheil entsteht; nicht bekämpfen, sondern sich verstehen wollen, ist hier am Platze. Was die Kriegspredigten und Berichte sind, was haben die für eine Schwächung des Glaubens mit sich gebracht. Was habe ich da schon für Briefe bekommen, wie habe ich zur Zeit meine Schläge bekommen aus der Schweiz und ich kann nicht anders sagen, die Politik gehört nicht in die Kirche. Es gibt keine deutschen - holländischen - amerikanischen - australischen - afrikanischen Apostolische, sondern es gibt nur ein Volk Gottes, nur eine Herde, die eben nur Gast und Fremdling hier ist. Gewiß, wir geben dem Kaiser was des Kaisers gehört, das haben wir bewiesen, aber mein Reich ist nicht von dieser Welt, das dürfen wir nicht vergessen. Ich habe damals an den Stammapostel geschrieben und Sie haben mir damals den Brief beantwortet. Sie mußten mir einen negativen Bescheid geben; denn wir seien deutsch und müßten uns demgemäß bewegen. Ich war dann stille, aber in meinem Bezirk wurden keine Kriegspredigten gehalten und heute bin ich froh, denn meine Brüder erleben darin keine Enttäuschung. Daß ich aber mit meiner Anschauung nicht allein war, beweist der Brief Ihres lieben Bruders und selbst Ihres eigenen Sohnes, der Sie auch darauf aufmerksam machte.<ref>Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiertBundeskonzil des Reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil apostolischen Gemeindebundes e.V. [Hrsg.], DresdenReformiert-apostolische Botschaft, o42 Jg./Nr.J14, 15.Juli 1936, Dresden; S. 5f107 f</ref>}}
Vor dem Hintergrund dieser Kritik wird Brückners Appell an Niehaus verständlich, den er recht harsch formuliert:
Brückner selbst schreibt dazu an Niehaus:
{{Zitat|Sie haben mir bis heute [8.01.1921] noch kein einziges Wort davon geschrieben, daß der Titel "Neuapostolische Rundschau" weggestrichen werden soll. Wenn ich es nicht hätte auf Umwegen über Leipzig zufällig erfahren, da der Schriftleiter glaubte, Sie hätten mit mir darüber korrespondiert - ich wüßte heute noch nichts! (...) Die Neuapostolische Rundschau habe ich vor dem Untergang gerettet. Sie dagegen haben ohne jede äußere Veranlassung ein neues Blatt gegründet, Wächterstimme aus Zion genannt. Mir ist mit keiner einzigen Silbe etwas davon verraten worden. (...) Werder Weder ich noch der Apostel Ecke sind in die Beratung der Änderung eingezogen worden.<ref>Brückner, C.A.: Brief an Stammapostel Niehaus, 8.01.1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 35, 37</ref>}}
In einer schwierigen Position ist der nachwievor beim Neuapostolischen Verlag in Leipzig als Schriftleiter angestellte Neffe Carl August Brückners Neffe, Robert Brückner, der . Er ist nun für zwei Zeitschriften<ref>Brückner, R.: Brief an Niehaus vom 10. Januar 1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 68: "[...] lieber Stammapostel, ich bitte mir nicht anzurechnen, daß ich dann und wann einmal einen Beitrag für die Rundschau liefere oder die Verantwortung für das Dresdner Blatt der Welt gegenüber trage, darin kann ich doch kein Unrecht sehen; denn es ist doch ein apostolisches Blatt wie die Wächterstimme auch."</ref> arbeiten soll und deshalb von Niehaus unter Druck gesetzt wird. Er ist nachwievor Angestellter des Neuapostolischen Verlagestätig<ref>Brückner, R.: Brief an Niehaus vom 10. Januar 1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 65: "Nun habe ich ja, vom formalen Standpunkt aus betrachtet, täglich acht Stunden zu arbeiten. Diese acht Stunden und mehr widme ich den Wächterstimmen und dem Verlag. Nun arbeite ich aber vielfach 10, 14, auch 16 Stunden und sitze oft bis tief in die Nacht hinein an der Maschine."</ref> in Leipzig und als solcher für die Wächterstimme als Schriftleiter tätig, wird deshalb von Niehaus unter Druck gesetzt. Offenbar soll aber offenbar er selbst nichts keine Artikel mehr verfassen, doch er widersetzt sich. Am 10. Januar 1921 schreibt er nach Steinhagen:
{{Zitat|Nun deuten Sie an, lieber Stammapostel, daß ich auf die Dauer auch nicht zwei Herren dienen und die Wächterstimme nicht behalten kann. [...] Schonend gaben Sie mir zu verstehen, daß meine Arbeiten nicht mehr gewünscht werden. [...] wie verabredet, werde ich daher auch das Material, was Sie mir zusenden, verarbeiten und der Wächterstimme soll nichts fehlen und wird das bringen, was mir als Samen dargereicht wird. Das schließt aber nicht aus, daß ich nun nichts mehr schreiben könnte oder dürfte. Mein Gewissen kann ich nicht verleugnen [...] Meine Arbeiten sind verworfen worden, obwohl sie bis jetzt noch nicht sachlich widerlegt worden sind. Wollte ich aber schweigen, so wäre dies eine Drangsalierung des in mir arbeitenden Geistes Gottes und eine Vergewaltigung des Heiligen Geistes, also eine Sünde wider den Heiligen Geist.<ref>Brückner, R.: Brief an Niehaus vom 10. Januar 1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 65</ref>}}
{{Zitat|Ich für meine Person betrachte mich bis heute nicht als Tagelöhner des Stammapostels in rein menschlichem Abhängigkeitsverhältnis, denn ich habe die Gabe des Apostelamtes Christi bisher von einer viel höheren idealeren Warte aus betrachtet und aufgefaßt. (...) Ich wüßte gar nicht, warum und auf Grund welchen Rechtstitels ich Ihnen als selbstständiger Apostel kündigen sollte, da ich meiner Überzeugung nach in gar keinem Arbeitsvertragsverhältnis zu Ihnen jemals gestanden habe. (...) Und das ist es ja gerade, was Sie nach Ihren mir so oft mündlich gemachten Beteuerungen für die Zukunft vermeiden und verhindern möchten, nämlich, daß der nach Ihnen kommende Mann nicht den Aposteln gegenüber zu allmächtig wird. Die vollständig in ein höriges Abhängigkeitsverhältnis zu dem dann immer allgewaltiger werdenden jeweiligen Stammapostel geratenen Apostel würden dadurch unaufhaltbar der freien Willensäußerung in wichtigen und wichtigsten Sachen beraubt, denn - wes Brot ich esse, des Lied ich singe, singen muß -!<ref>Brückner, C.A.: Brief an Niehaus vom 8. Januar 1921. In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 26 f</ref>}}
[[Datei:Schisma1921_Ausschlussbrief_1.JPG|thumb|300px450px|Ausschlussschreiben des Stammapostels an Mitglieder in Sachsen]]
Daraufhin antwortet Niehaus am 13. Januar 1921 mit einem Vorschlag der friedlichen Scheidung:
{{Zitat|Meine Gesinnung ist eine Abrahamsgesinnung und sage, warum soll Streit sein zwischen mir und dir, zwischen meinen Hirten und deinen Hirten, der Weinberg ist doch so groß, warum sollen wir uns streiten um ein kleines Fleckchen Erde, ein jeder hat die Wahl. Zwei Organe sind nun da, somit auch zwei Hauptleitungen. Was soll ich sagen, ich denke mir, solches kommt auch vom Herrn Zebaoth. Sein Rat ist wunderbar, und führet es herrlich hinaus. Lasset uns Frieden halten, ob nun einer 50 Groschen schuldig ist oder 500, ich will nicht um fünf Pfennig streiten. Friede ernährt, Unfriede verzehrt. Ich richte niemand, denn alle haben recht, warum einen Rechtsstreit führen, im Frieden hat uns der Herr berufen. Ich werde die Apostel zusammenrufen und dann sage ich, liebe Brüder, wir wollen das Erbe aufteilen und damit das Vermögen. Im Frieden wollen wir uns auseinandersetzen, ja keinen Streit führen. Wir wollen doch selig werden und unter Streit ist keine Seligkeit. Friedliche Güterteilung und dann sage ich nochmals, in Frieden hat uns der Herr berufen.<ref>zitiert nach Born, Johannes: Die Abrahamsgesinnung des Stammapostels der Neuapostolischen Gemeinden und unbewussten Gründers der Reformiert-apostolischen Gemeinden, Dresden 1926; S. 2 f</ref>}}
Nach weiteren Diskussionsbeiträgen aus dem Kreis der Versammelten wurde die Versammlung durch den Versammlungsleiter geschlossen {{Zitat|und die Anwesenden verließen in erregter Unterhaltung den Saal.<ref>Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 105</ref>}}
 
Die Gemeinde Leipzig spaltet sich erneut: Zwei Drittel schlossen sich der Seite Niehaus (Krause/Stiegler) an, ein Drittel blieb bei Brückner.<ref>vgl. Infotafel im EG der NAK-Leipzig Mitte (Sigismundstraße); gesehen am 12.03.2017 [MK]</ref>
===Letzte Versöhnungsversuche===
[[Datei:IMG_6855.JPG|thumb|300px450px|Ap. Brückner, Ostermann, Ecke]]
Über die folgenden Tage berichtet Ecke an Niehaus:
{{Zitat|Als er [Brückner] von der Leipziger Revolution, wo er drei Tage und Nächte durchgekämpft hatte, und dann am Sonntag abend zurückkam, und die ganze Gemeinde [Dresden?] sah, wie der Mann zugerichtet war und kein Blutstropfen in seinem Angesicht bald mehr zu sehen war, da kam aber die Gemeinde unter Tränen und stand wie ein Mann um Brückner, als sie hörten, er solle abgetan werden [...]. Kurze Zeit darauf kam die Brandstiftung von Krause in die Gemeinde Halle, wo dann Brückner Ihnen [Niehaus] den Brief, das sogenannte Ultimatum, in der großen Geisterhitze schrieb, ein Stück, was mir nicht gefiel, aber versetze sich ein jeder dahinein, und was alles gelogen und entstellt worden ist [...].<ref>Ecke, M.: Brief an Niehaus vom 23. April 1921. In: Witlof: Kein Abfall sondern ausgestoßen!, Leipzig 1921, S. 38</ref>}}
Auch Brückner selbst bemüht sich im Nachklang ebenfalls um ein Treffen mit Niehaus, wie er am 10. März an den Stammapostel schreibt: {{Zitat|Ich hielt es im großen Interesse des Werkes, wenn wir uns treffen würden. [...] Schließen wir doch einen Waffenstillstand miteinander, eine Art Burgfrieden. Das andere findet sich. Sie haben gesagt in einem lichten Augenblick, wo die Versöhnungsmacht in Ihnen hochkam, als mein Sohn und der Schriftleiter dort waren, na, da könnte es eben auch mal so sein, daß Vater und Sohn sich um den Hals fallen und sich einen Kuß geben und durch alles einen Strich machen. [...] Ich schlage vor, wir treffen uns an einem neutralen Platz, als Freunde, als Menschen, als Christen, als Apostel letztenfalls. [...] Schlagen Sie ein, und alles wird wieder gut.<ref>Brückner, C.A.: Brief an Niehaus vom 10. März 1921. In: Witlof: Kein Abfall sondern ausgestoßen!, Leipzig 1921, S. 19f</ref>}}
[[Datei:Brueckner-aschschlussschreiben-19210417.jpg|300px|thumb|right|Faksimile Ausschlussschreiben Brückner]]
Doch die Situation ist verfahren. Niehaus geht auf eine zehntägige Reise und schreibt erst nach seiner Rückkehr am 22. März zurück: {{Zitat|Ihr Zirkularbrief vom 1. März liegt vor mir, so auch das Ultimatum und andere Briefe, deren nicht wenige, die erkennen lassen, was gepredigt wird, so ist der Glaube. [...] ihr Schreiben vom 1. März an die Vorsteher läßt mich erkennen, was es für ein Geist ist, in dem Sie stehen. Bleiben Sie doch bei der Wahrheit. Wer hat es in den Sinn genommen, daß wir Ihre Geldschätze haben wollen und um die Seelen nichts geben. [...] Wir wollen nur wissen, wie es um den Bücherverlag und Drucksachen [steht], ob wir Schulden haben oder Vermögen, das ist Werksgut. [...] Ihre Gesandte waren hier, die sollten Frieden machen, hatten aber das Ultimatum in der Tasche. [...] In dem Briefe vom 1. März lese ich, was Sie alles vorhaben einzurichten dort, andere Satzung und was alle[s], wozu eine Apostelversammlung nötig ist, das zu beschließen, und die Genehmigung vom Stammapostel. Das soll keine Abweichung sein. [...] Wer Wind säet, wird Sturm ernten, und wer die Herzen mit Stroh und Holz füllet, der soll sich auch nicht wundern, wenn das Feuer himmelhoch geht.<ref>Niehaus, H.: Brief an C.A. Brückner. In: Witlof: Kein Abfall sondern ausgestoßen!, Leipzig 1921, S. 21 f</ref>}}
===Folgen des Ausschlusses Brückners===
[[Datei:Schisma1921_Zeitungsartikel_1.JPG|thumb|300px|Leserbrief von Alvin Ostermann in einer Tageszeitung]]
Niehaus fordert sodann den unter Brückner tätigen Apostel Max Ecke auf, "binnen zehn Tagen zu erklären", ob er sich "voll und ganz zu der Lehre des Stammapostels oder zu der Lehre des seines Amtes entsetzten Herrn C.A. Brückner bekennen wolle."<ref>Ecke, M.: Brief an Niehaus vom 23. April 1921. In: Witlof: Kein Abfall sondern ausgestoßen!, Leipzig 1921, S. 29</ref> Er antwortet sehr ausführlich, versucht bei Niehaus Verständnis für Brückner zu wecken, legt dar, dass er sich gerne mit Niehaus treffen wolle und will Missverständnisse klären.
===Rechtsstreitigkeiten===
[[Datei:Schisma1921_Zeitungsartikel_1.JPG|thumb|200px|Leserbrief von Alvin Ostermann in einer Tageszeitung]]
[[Datei:Schisma1921_Gerichtsbeschluss_1.JPG|thumb|200px|Gerichtsbeschluss in der Sache der Neuapostolischen Gemeinde Netzschkau-Mylau]]
[[Datei:Traenenkirche_01.jpg|thumb|Tränenkirche in Netzschkau, 2009]]
In der nun folgenden Zeit gab es mehrere, auch vor Gericht ausgetragene, Streitigkeiten um Miet- und Eigentumsobjekte. So gab es beispielsweise in der Gemeinde Schkeuditz einen durch neuapostolische Mitglieder verursachten nächtlichen Einbruch in das Gemeindelokal der "Brückner-Anhänger" auf dem Hinterhof des damaligen Gemeindevorstehers. Dabei wurde das Türschloss ausgetauscht und die Devotionalien, Gesangbücher und Hostien der Gemeinde vor dem Lokal verteilt.<ref>vgl. Born, Johannes: Die Abrahamsgesinnung des Stammapostels der Neuapostolischen Gemeinden und unbewussten Gründers der Reformiert-apostolischen Gemeinden, Dresden 1926; S. 13</ref>
 
Auch die Gemeinde in Netzschkau geriet in einen Streit um die kurz zuvor wiederbezogene sogenannte [[Tränenkirche]], die letztendlich von der Neuapostolischen Gemeinde übernommen wurde obgleich sich rund 90% der Gemeinde beim Apostel Brückner hielten und die neuapostolische Gemeinde aus nur noch rund 30 Gemeindemitglieder bestand.
 
Über die Gemeinde Dresden wird berichtet, dass es Gerichtsprozesse bis hin zur Herausgabe von zwei Abendmahlskelchen sowie über privat angeschaffte Gesangbücher gegeben haben soll. In dem vom Johannes Born veröffentlichten Werk ''Die Abrahamsgesinnung des Stammapostels'' heißt es auszugsweise:
 
{{Zitat|In Dresden wurde ein Prozeß um zwei Kelche angestrengt, obwohl man in der Niehausgemeinde gar keine KElche brauchte, weil dort das Hl. Abendmahl in einerlei Form verabreicht wird. Übrigens waren ihnen von unserer Seite mehr Kelche abgegeben worden, als ihnen der Mitgliederzahl nach zukamen, denn auf der neuapostolischen Seite standen zirka 150 Mitglieder, während auf der ausgestoßenen Seite zirka 900 standen. Nicht genug, der Streit wurde sogar gegen das PRivateigentum des Predigers Oskar Kießling geführt, auf Herausgabe von Gesangbüchern, die derselbe gekauft und bar bezahlt hatte.<ref>vgl. Born, Johannes: Die Abrahamsgesinnung des Stammapostels der Neuapostolischen Gemeinden und unbewussten Gründers der Reformiert-apostolischen Gemeinden, Dresden 1926; S. 4</ref>}}
==Die Neuapostolische Gemeinde nach 1921==
Der Kampf um das Verständnis der Wiederkunft Christi ist damit entschieden. Sieben Tage später gibt diese Zeitschrift einen Gottesdienst von Stammapostel Niehaus wieder, in dem Johann Gottfried Bischoff predigt: „Daß wir in der Zeit sind, wo der Herr Eile hat, und mit Riesenschritten sein Werk der Vollendung entgegenführt, werden wir wohl erkannt haben.“ – Zwar flaut der Wiederkunfts-Hype Mitte der 1920er wieder ab, doch mit fast exakt den selben Worten predigt der inzwischen zum Stammapostel ordinierte am 27. Juni 1948 in Frankfurt-Südwest das selbe und läutet damit jenes geschichtliche Ereignis ein, das als "Die Botschaft des J. G. Bischoff" bekannt geworden ist.
===Versöhnungserklärung von 2017===
In einer gemeinsamen Presseerklärung <ref>Presseerklärung: [http://www.nak.org/de/news/nak-international/article/19237/ Versöhnungserklärung: Termin zur Unterzeichnung steht fest] vom 14. Oktober 2016 der Apostolischen Gemeinschaft und der Neuapostolischen Kirche</ref> vom 14. Oktober 2016 teilten die Apostolische Gemeinschaft und die Neuapostolische Kirche mit, dass am 11. März 2017 in der Apostolischen Gemeinde Greiz eine Feierstunde zur Unterzeichnung einer Versöhnungserklärung zwischen beiden Kirchen stattfinden solle. Dadurch sollen ''"die Spannungen zwischen dem ehemaligen Reformiert-Apostolischen Gemeindebund und der Neuapostolischen Kirche beigelegt werden."'' hieß es darin weiter. Während der Feierstunde kam es zur Unterzeichnung der Versöhnungserklärung.
==Zeitgeschichtliche Dokumente==
==Referenzen==
<references/>
 
[[Kategorie:Kirchengeschichte]]
972
Bearbeitungen

Navigationsmenü