Kurt Hutten
Kurt Hutten (* 6. März 1901 in Langenburg; † 17. August 1979 in Ludwigsburg) war ein deutscher evangelischer Theologe, Apologet und Publizist. Hutten war ausserdem Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche Deutschlands und beschäftigte sich im Laufe dieser Tätigkeit auch mit apostolischen Gemeinschaften.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Hutten besuchte nach der vorgeschriebenen Schulzeit von 1915 bis 1919 die Evangelischen Seminare Maulbronn und Blaubeuren und studierte anschließend Evangelische Theologie an der Universität Tübingen. 1923 legte er das erste theologische Examen ab und erhielt eine Stelle bis 1927 als Vikar in Schnaitheim und Mergentheim. Seine Promotion zum Doktor der Philosophie absolvierte Hutten 1928 bei dem Tübinger Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer.
Weitere Stationen seines beruflichen Werdegangs waren nun:
- 1930 Geschäftsführer beim Evangelischen Volksbund Württemberg
- 1935 Redakteur des Evangelischen Pressedienstes (EPD)
- 1939 Schriftleiter des Evangelischen Gemeindeblatts für Württemberg
- 1941 Vertreter Württembergs beim Rat der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in Berlin
Ab Mitte 1943 wurde Hutten zum Wehrdienst eingezogen und geriet bis September 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Von 1952 bis 1960 war Hutten dann verantwortlich für das Deutsche Pfarrerblatt und leitete danach acht Jahre lang die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart. 1970 übernahm er das Amt des „Beauftragten für religiöse Minderheiten“ innerhalb der EKD. Sein Sektenbuch Seher, Grübler, Enthusiasten – erstmals 1950 erschienen – wurde zu einem „Klassiker“. 1982 erschien es in letzter Bearbeitung, die bis 1997 noch dreimal unverändert nachgedruckt wurde.
Arbeitsphilosophie
Im Vorwort seines bekanntesten Werkes Seher, Grübler, Enthusiasten beschreibt Hutten die Ausgangsposition seiner Arbeit: "Unsere Kirche steht auf der Grundlage der Bekenntnisse der Reformation, sie ist gewiß, daß in der Botschaft von der Rechtfertigung durch den Glauben die zentrale Wahrheit der Heiligen Schrift ausgesprochen und der Schlüssel zum Verständnis des Gotteswortes gegeben ist. Von diesem Standort her habe ich habe ich auch eine Beurteilung der dargestellten Gemeinschaften versucht."
Huttens höchstes Ziel war ein grosser Dialog mit den bekanntesten Sondergemeinschaften, sprich u.a. Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche, Adventisten und Mormonen. Hutten nahm mit praktisch allen Gemeinschaften Kontakt auf und sandte Publikationen über jede Gemeinschaft dieser zur Kenntnisnahme zu. Während viele Weltanschauungen nur als Protest zu präsenten Verhältnissen zu interpretieren seien, machte er sich über die wichtigsten Sondergemeinschaften die Überlegung, dass sie "Töchter der grossen Kirchen" seien und sich die grossen Kirchen deswegen fragen müssten, ob sie Schuld am sektiererischen Fundamentalismus tragen.
Hutten identifizierte sich auch mit Sondergemeinschaften und konnte ihren Unmut über Kritik aus evangelischer Position nachvollziehen: "Gelegentlich wurde ich von dem Leiter dieser oder jener Gemeinschaft gebeten, ich möge sie aus dem Buch herausnehmen, da sie keine Sekte sei. Auch wenn ich solche Wünsche nicht erfüllen konnte, habe ich für das dahinterstehende Motiv volles Verständnis".
Seine Arbeit wird heute als unverzichtbar für Theologie und Religionswissenschaft gewertet und führte schon 1960 zu einem Vertrauen aufgrund seiner Sachlichkeit und Toleranz, dass er von der EKD 1960 zum "Beauftragten für religiöse Minderheiten" ernannt wurde.
Hutten und die Neuapostolische Kirche
Neben anderen Sondergemeinschaften beklagte auch die Neuapostolische Kirche trotz der toleranten Arbeitsphilosophie Huttens, dass sie sich gewissermaßen verfolgt fühle. Diese Empfindung geht höchst wahrscheinlich auf die Aussagen in Huttens bekanntestem Werk Seher, Grübler, Enthusiasten zurück, die fundamentalistische Endzeiterwartung der Sondergemeinschaften sei eine Reaktion aus Unzufriedenheit mit der grösstenteils fehlenden Eschatologie der grossen Kirchen. Amtsträger der Kirche warnten vor Hutten als "Feind".
Als Kurt Hutten am 10. Juli 1960 die Nachricht von Stammapostel Bischoffs Tod erhielt, leitete er diese sofort an das örtliche Büro der deutschen Presse-Agentur weiter. Da er stets vom örtlichen Gemeindepfarrer in Frankfurt über Bischoffs Zustand informiert wurde, entstand die unkorrekte Geschichte, Hutten hätte evangelische Funktionäre dazu beauftragt.
Hutten vermutete das Ende der NAK, da sich die Mehrzahl [der Gläubigen] wie vor den Kopf geschlagen fühle - und nun überhaupt nichts mehr glauben wolle. Diese Vermutung stützte sich auf Stammapostel Bischoffs Aussage[1]:"Wenn ich sterben würde ... dann wäre Gottes Werk vernichtet."
Würdigungen
„...einen exzellenten Beobachter der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen, die er mit Sorgfalt, Fairness und kaum zu übertreffender Anschaulichkeit in Ihren Anliegen, Praktiken uns Glaubenssystemen beschreibt. Er war nicht der Abwehr des Sektirerischen, die ihn dabei zuerst und vor allem bestimmte, sondern eine selbstbewusste, eigene , theologische Perspektive, die auf Polemik weitgehend verzichtete und verbunden war mit der Bereitschaft, den fremden, anderen Glauben von innen her zu verstehen. Die kritische Auseinandersetzung mit religiösen Gegenwelten fand ihre Begründung in theologischen, nicht moralischen Kategorien.“
– Dr. Reinhard Hempelmann: In memoriam zu Huttens 100. Geburtstag, 2001
Bedeutendste Werke
- Nationalsozialismus und Christentum. Evangelischer Volksbund, Stuttgart 1932
- Christus oder Deutschglaube? Ein Kampf um die deutsche Seele. Steinkopf, Stuttgart 1935
- Ein neues Evangelium? Zu der Forderung einer „völkischen Reformation“ der Kirche. Quell, Stuttgart 1936
- Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen. Quell, Stuttgart 1950; 12. A. ebd. 1982, ISBN 3-7918-2130-X
- Die Glaubenswelt des Sektierers. Das Sektentum als antireformatorische Konfession – sein Anspruch und seine Tragödie. Furche, Hamburg 1957
- Weltraum, Mensch und Himmelreich. Calwer (Hefte 43), Stuttgart 1961
- Asien missioniert im Abendland (hrsg. mit Siegfried von Kortzfleisch). Kreuz, Stuttgart 1962
- Seelenwanderung – Hoffnung oder Alptraum der Menschen? (mit Siegfried von Kortzfleisch). Kreuz, Stuttgart 1962; 2. erg. A. ebd. 1966
- Christen hinter dem Eisernen Vorhang. 2 Bände. Quell, Stuttgart 1962/63
- Was glauben die Sekten? Modell, Wege, Fragezeichen. Quell, Stuttgart 1965
- Die Presse als Kanzel? Verkündigung in der Publizistik 1938–1967. Quell, Stuttgart 1967
- Zukunft – Paradies oder Weltuntergang? Brockhaus, Wuppertal 1974, ISBN 3-417-00471-3
Internetlinks
- Der Spiegel - Ausgabe 38/1960 vom 14. September 1960, Der Letzte über den Tod des neuapostolischen Kirchenleiters Stammapostel Bischoff
- Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin
- Christ im Dialog: Nachruf zum 30. Todestag von Kurt Hutten
Quellen
- ↑ [Der Spiegel - Ausgabe 38/1960 vom 14.09.1960]