Gefangen. Oder: Risiken und Nachwirkungen eines „zeitgemäßen“ Glaubens: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Namen fast aller kirchlicher Amtsträger in Wilhelmshaven sind in der Erzählung zwar verändert worden, lassen sich aber für Mitglieder des Kirchenbezirks mühelos dechiffrieren. Dasselbe gilt für die zahlreichen, erzählten konkreten Geschehnisse. <br> | Die Namen fast aller kirchlicher Amtsträger in Wilhelmshaven sind in der Erzählung zwar verändert worden, lassen sich aber für Mitglieder des Kirchenbezirks mühelos dechiffrieren. Dasselbe gilt für die zahlreichen, erzählten konkreten Geschehnisse. <br> | ||
− | Besonders berührend ist der Teil, in dem H.E. Gabriel über den Selbstmord eines Wilhelmshavener Gemeindevorstehers 2007 schreibt, der stellvertretende Leiter des Jobcenters Wilhelmshavens war. Der ganze Kirchenbezirk war geschockt. Über die vom Bezirksapostel Dr. Karl-Heinz Schumacher gehaltene Trauerfeier ist Herbert Zeppernick, alias H.E. Gabriel, entsetzt: | + | Besonders berührend ist der Teil, in dem H.E. Gabriel über den Selbstmord eines Wilhelmshavener Gemeindevorstehers 2007 schreibt, der stellvertretende Leiter des Jobcenters Wilhelmshavens war. <br> |
+ | Der ganze Kirchenbezirk war geschockt. Über die vom Bezirksapostel Dr. Karl-Heinz Schumacher gehaltene Trauerfeier ist Herbert Zeppernick, alias H.E. Gabriel, entsetzt: | ||
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„Nach elf Tagen die Trauerfeier. Die große Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Ansprache des Apostels […] unangemessen und unwürdig, weil nichts als fraglose Rechtfertigung. Kein Entsetzen, nicht ein Hauch Unsicherheit, keine Fragen. Alles ist bei und in Gott! Ganz gleich, was wir tun […]“ (S. 447f)<br> | „Nach elf Tagen die Trauerfeier. Die große Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Ansprache des Apostels […] unangemessen und unwürdig, weil nichts als fraglose Rechtfertigung. Kein Entsetzen, nicht ein Hauch Unsicherheit, keine Fragen. Alles ist bei und in Gott! Ganz gleich, was wir tun […]“ (S. 447f)<br> |
Version vom 20. April 2022, 23:48 Uhr
„Gefangen. Oder: Risiken und Nachwirkungen eines ´zeitgemäßen´ Glaubens“ ist eine 2019 erschienene Erzählung von H.E. Gabriel mit sehr starken biographischen Zügen.
„H.E. Gabriel“ ist das Pseudonym von Herbert Zeppernick, einem ehemaligen Mitglied des Neuapostolischen Kirchenbezirks Wilhelmshaven (Austritt am 27.12.2007). „Gabriel“ ist der Familienname seines leiblichen Vaters. [1]
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Der Halbwaise Robert Wegner (Herbert Zeppernick) wächst im Hause seiner Großeltern in einem Dorf am Südrand der Lüneburger Heide auf. Als er 1957 als Zwölfjähriger der Neuapostolischen Kirche (NAK) beitreten darf, glaubt er sich als von einem Apostel Jesu "versiegeltes Gotteskind" auf dem Weg zur unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi. Die hatte 1951 das in Frankfurt a. M. residierende 80-jährige Kirchenoberhaupt, der Stammapostel Johann Gottfried Bischoff, noch für seine Lebenszeit verkündet.
Als Bischoff 1960 stirbt, bricht nicht nur für den Jungen eine Welt zusammen! […]. Für den Heranwachsenden ist dies der Beginn einer permanenten Auseinandersetzung mit Mächten und Strukturen, die seinem Leben Ziel und Lauf geben werden... [2]
Autor
1945 in einem niedersächsischen Dorf geboren, tritt Robert Wegner (Herbert Zeppernick) nach der Volksschulzeit eine kaufmännische Lehre an, verpflichtet sich anschließend für 12 Jahre bei der Bundesmarine, heiratet und wird Vater dreier Kinder. Seine Eltern und Geschwister wie auch seine eigene Familie gehören der Neuapostolischen Kirche an.
Nach der Marine folgt die Ausbildung zum Sozialpädagogen, dann sechs Semester Pädagogik-Studium mit den Schwerpunkten Religionswissenschaft und Geschichte und schließlich der Entscheidung, die Richtung zugunsten einer Direktoren-Ausbildung bei einer Bausparkasse zu wechseln. Später, schon an der Nordseeküste, als Abteilungsleiter bei einer Bank, um dann die eigene Immobilienfirma zu gründen. [3]
Seit 2003 ist Zeppernick Rentner mit Lust auf Reisen, Literatur - und immer wieder auch kleine lyrische Stücke als Deutungsmuster eigener Welt-Wahrnehmung. [4]
Cover
Auf dem Cover des Buches ist Petri Fischzug zu sehen, das Motiv der großflächigen Kirchenfenster der Kirchengemeinde Wilhelmshaven.
Der Entwurf stammt von Prof. Hans-Joachim Beyer (1908-1980), der Kunstlehrer am Mariengymnasium Jever war. An diesem Gymnasium war Dr. Rémy Petri (1934-2018),
Mitglied und Priester der Neuapostolischen Kirchengemeinde Sande, stellvertretender Schulleiter [5].
Petri stellte den Kontakt zur Neuapostolischen Kirchenverwaltung Bremen (Bezirksapostel Hermann Schumacher) her, so dass dieses für die 70er Jahre und für die Neuapostolische Kirche diese Zeit erstaunliche Kirchenfenster entstehen konnte.
Dass Prof. Beyer sich bei der Wahl des Sujets vom Namen seines neuapostolischen Kollegen und Freundes hat inspirieren lassen, liegt auf der Hand.
Leider sind die expressionistisch anmutenden Kirchenfenster im Rahmen von Sanierungsarbeiten nicht erhalten, sondern durch einfach gemustertes Fensterglas ersetzt worden.
Wilhelmshaven
Der größte Teil der 479 Seiten langen Erzählung handelt in Wilhelmshaven. In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war der sog. Unterbezirk Wilhelmshaven blühender Teil des Apostelbezirks Bremen mit 15 Gemeinden und einer „Missionsstation“ (Wangerooge):
8 Stadtgemeinden: WHV-Nord, WHV-Süd (+1996), WHV-Ost (+2018), WHV-West (+2015), WHV-Voslapp (+2001/2013), WHV-Aldenburg (+2001), WHV-Altengroden (+2011), Middelsfähr (+2006)
7 Landgemeinden: Sande, Jever, Heidmühle, Zetel (+2014), Varel, Wittmund (+2018), Hooksiel (+2010)
Von den verbliebenen 5 Gemeinden (1. Wilhelmshaven (-Nord), 2. Sande, 3. Jever, 4. Heidmühle und 5. Varel), wird auf jeden Fall Jever demnächst geschlossen. Sande und Varel stehen zur Disposition.
Erzählebenen
Man kann vier Erzählebenen unterscheiden. Die Ebene der eher familiären und beruflichen Entwicklung gibt bereits einen wertvollen Einblick in das Leben eines Menschen, der seine Kinder- und Jugendjahre in der Nachkriegszeit Deutschlands erlebt hat und sich mit Zielstrebigkeit und Fleiß aus einfachen, ja schwierigen Verhältnissen zu einem erfolgreichen Geschäftsmann „hochgearbeitet“ hat, der aber seine sozialpädagogischen Kenntnisse immer auch für Menschen eingesetzt hat.
Die zweite Ebene ist die der kirchlichen Erfahrungen innerhalb der Neuapostolischen Kirche. Auch diese Ebene ist überaus interessant, zeigt sie doch, wie sich missbrauchtes „kindliches Vertrauen“ schlussendlichen zum Austritt entwickeln kann – und dies über einen ca. 50jährigen Zeitraum.
Die Dritte Ebene stellt zeitgeschichtliche Ereignisse dar, die immer wieder das endzeitliche Denken („der Herr kommt bald“), wie es durch die Botschaft von Stammapostel Bischoff grundgelegt war, neu entflammt hat.
Immer mehr treten – quasi als vierte Ebene – reflektierende Teile in den Vordergrund, die aufgrund der ab ca. Ende der 90er Jahre im Internet abrufbaren Dokumente über die Hintergründe der Neuapostolischen Kirche informieren.
Nicht-fiktional
Die Namen fast aller kirchlicher Amtsträger in Wilhelmshaven sind in der Erzählung zwar verändert worden, lassen sich aber für Mitglieder des Kirchenbezirks mühelos dechiffrieren. Dasselbe gilt für die zahlreichen, erzählten konkreten Geschehnisse.
Besonders berührend ist der Teil, in dem H.E. Gabriel über den Selbstmord eines Wilhelmshavener Gemeindevorstehers 2007 schreibt, der stellvertretende Leiter des Jobcenters Wilhelmshavens war.
Der ganze Kirchenbezirk war geschockt. Über die vom Bezirksapostel Dr. Karl-Heinz Schumacher gehaltene Trauerfeier ist Herbert Zeppernick, alias H.E. Gabriel, entsetzt:
„Nach elf Tagen die Trauerfeier. Die große Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Ansprache des Apostels […] unangemessen und unwürdig, weil nichts als fraglose Rechtfertigung. Kein Entsetzen, nicht ein Hauch Unsicherheit, keine Fragen. Alles ist bei und in Gott! Ganz gleich, was wir tun […]“ (S. 447f)