Neuapostolisches Schisma 1921: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Schisma1921_Briefkopf_1.JPG|thumb|500px|Briefkopf der Neuapostolischen Gemeinde um 1920]]Das '''Neuapostolische Schisma 1921''' bezeichnet eine im Jahr [[1921]] vollzogene Kirchenspaltung der [[Neuapostolische Gemeinde|Neuapostolischen Gemeinde]], im speziellen im damaligen Kirchenbezirk Leipzig unter der Führung des Apostels [[Carl August Brückner]]. Dieses Ereignis ist die größte Kirchenspaltung unter dem damaligen Leiter Stammapostel [[Hermann Niehaus]] und betraf rund 6.000 Mitglieder.
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[[Datei:Schisma1921_Briefkopf_1.JPG|thumb|500px|Briefkopf der Neuapostolischen Gemeinde um 1920]]Das '''Neuapostolische Schisma 1921''' bezeichnet eine ab dem Jahr [[1921]] vollzogene Kirchenspaltung der [[Neuapostolische Gemeinde|Neuapostolischen Gemeinde]], im Speziellen im damaligen Kirchenbezirk Leipzig unter der Führung des Apostels [[Carl August Brückner]]. Dieses Ereignis ist die größte Kirchenspaltung unter dem damaligen Kirchenleiter Stammapostel [[Hermann Niehaus]] und betraf rund 6.000 Mitglieder.
  
 
==Vorgeschichte==
 
==Vorgeschichte==
 
===Apostel C.A. Brückner===
 
===Apostel C.A. Brückner===
[[Datei:Carl-august-brueckner.jpg|thumb|Apostel C.A. Brückner]][[Carl August Brückner]] wurde am 7. März 1872 in Mylau als Sohn eines Webers geboren. Er machte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete zuletzt bei einem Rechtsanwalt. Er war von Haus aus lutherisch, trat aber 1895 zur apostolischen Bewegung über, die damals noch nicht als „neuapostolisch“ bezeichnet wurde. Aufgenommen und versiegelt wurde er von Apostel Friedrich Krebs. Ab 1897 wurde er Bezirksältester und leitete gleichzeitig die Gemeinde Leipzig, 1901 wurde er bereits zum [[Bischof]] ordiniert. Zu dieser Zeit war es noch schwierig für eine nicht evangelische oder katholische Gemeinschaft frei Gottesdienste zu halten. In Sachsen konnte diese nur unter polizeilicher Aufsicht durchgeführt werden. Brückner soll es zu verdanken gewesen sein, so ist es Stand der Forschung, dass diese Bestimmung 1902 aufgehoben wurde. Stammapostel Hermann Niehaus, noch jung im Amt des neuapostolischen Hauptleiters und Stammapostels, ordinierte ihn schließlich 1905 ins [[Apostel]]amt. Ab 1909 war er zudem für die Publikation [[Neuapostolische Rundschau]] zuständig, eine Zeitschrift für in- und ausländische neuapostolische Gemeinden.
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[[Datei:Carl-august-brueckner.jpg|thumb|Apostel C.A. Brückner]][[Carl August Brückner]] wurde am 7. März 1872 in Mylau als Sohn eines Webers geboren. Er machte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete zuletzt bei einem Rechtsanwalt. Er war von Haus aus evangelisch-lutherisch, trat aber 1895 zur apostolischen Bewegung über, die damals noch nicht als „neuapostolisch“ bezeichnet wurde. Aufgenommen und versiegelt wurde er von Apostel Friedrich Krebs. Ab 1897 wurde er Bezirksältester und leitete gleichzeitig die Gemeinde Leipzig. 1901 wurde er bereits zum [[Bischof]] ordiniert. Zu dieser Zeit war es noch schwierig, für eine nicht evangelische oder katholische Gemeinschaft Gottesdienste durchzuführen. In Sachsen konnten apostolische Gottesdienste nur unter polizeilicher Aufsicht durchgeführt werden. Brückner soll es zu verdanken gewesen sein, dass diese Bestimmung 1902 aufgehoben wurde. Stammapostel Hermann Niehaus, noch jung im Amt des neuapostolischen Hauptleiters und Stammapostels, ordinierte ihn schließlich 1905 ins [[Apostel]]amt. Ab 1909 war er zudem für die Publikation [[Neuapostolische Rundschau]] zuständig, eine Zeitschrift für in- und ausländische neuapostolische Gemeinden.
  
 
===Verhältnis Brückner und Niehaus===
 
===Verhältnis Brückner und Niehaus===
[[Datei:Hermann_Niehaus.jpg|thumb|Stammapostel Hermann Niehaus]]Zwischen [[Stammapostel]] Hermann Niehaus und Apostel Carl August Brückner herrschte wohl lange Zeit ein gutes Verhältnis.<ref>vgl. [[Carl August Brückner]] - Niehaus selbst bestreitet dies später jedoch, folgt man einer historisch schwierig einzuordnenden autobiografischen Darstellung, in der er u.a. behauptet, Brückner sei ihm nachgereist. [vgl. „Eine Lebensbeschreibung und Anfang von Gottes Werk hier“, verm. Niehaus, o.J. (1928?) o.O.]</ref> Jahrelang sollen die beiden gemeinsam durch die Kirchenbezirke gereist sein. Niehaus soll ihn sozusagen als rechte Hand verwendet haben. Es ist derzeit noch nicht erforscht, wie dieses Verhältnis genau aussah. Belegt ist jedoch, dass Niehaus zusammen mit Brückner 1909 eine große Reise nach Amerika unternahm, um die neuapostolischen Gemeinden dort zu besuchen.<ref>vgl. Obst, H.: Apostel und Propheten der Neuzeit, S. 98</ref> Auch beantwortete er im Namen Niehaus Briefe, die an den Stammapostel gerichtet waren.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil [Hrsg.], Dresden, o.J., S. 5f: "Ich habe damals an den Stammapostel geschrieben und Sie haben mir damals den Brief beantwortet."</ref>
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[[Datei:Hermann_Niehaus.jpg|thumb|Stammapostel Hermann Niehaus]]Zwischen [[Stammapostel]] Hermann Niehaus und Apostel Carl August Brückner herrschte wohl lange Zeit ein gutes Verhältnis.<ref>vgl. [[Carl August Brückner]] - Niehaus selbst bestreitet dies später jedoch, folgt man einer historisch schwierig einzuordnenden autobiografischen Darstellung, in der er u.a. behauptet, Brückner sei ihm nachgereist. [vgl. „Eine Lebensbeschreibung und Anfang von Gottes Werk hier“, verm. Niehaus, o.J. (1928?) o.O.]</ref> Jahrelang sollen die beiden gemeinsam durch die Kirchenbezirke gereist sein. Niehaus soll ihn quasi als rechte Hand eingesetzt haben. Es ist derzeit noch nicht erforscht, wie das persönliche Verhältnis der Beiden genau aussah. Belegt ist jedoch, dass Niehaus zusammen mit Brückner 1909 eine große Reise nach Amerika unternahm, um die neuapostolischen Gemeinden dort zu besuchen.<ref>vgl. Obst, H.: Apostel und Propheten der Neuzeit, S. 98</ref> Auch beantwortete er im Namen Niehaus Briefe, die an den Stammapostel gerichtet waren.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil [Hrsg.], Dresden, o.J., S. 5f: "Ich habe damals an den Stammapostel geschrieben und Sie haben mir damals den Brief beantwortet."</ref>
  
 
In einem Rundschreiben vom Februar 1919 teilt der Dresdner Bezirksapostel den Gemeindevorstehern mit:  
 
In einem Rundschreiben vom Februar 1919 teilt der Dresdner Bezirksapostel den Gemeindevorstehern mit:  
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{{Zitat|Nachdem der Krieg vorüber ist und die meisten Vorsteher wieder auf ihren Platz heimgekehrt sind, müssen wir nun auch an die Arbeiten denken, die durch den Krieg im Jahre 1914 ins Stocken geraten sind. Dazu gehört zunächst die Anlegung des damals bereits vorgelegten neuen Kirchenbuches, und der dazu gehörigen Karthothek, nämlich der Ausschreibung der Personalblätter.<ref>Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 8, Frankfurt a.M. 8.2.1919, S. 3f</ref>}}
 
{{Zitat|Nachdem der Krieg vorüber ist und die meisten Vorsteher wieder auf ihren Platz heimgekehrt sind, müssen wir nun auch an die Arbeiten denken, die durch den Krieg im Jahre 1914 ins Stocken geraten sind. Dazu gehört zunächst die Anlegung des damals bereits vorgelegten neuen Kirchenbuches, und der dazu gehörigen Karthothek, nämlich der Ausschreibung der Personalblätter.<ref>Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 8, Frankfurt a.M. 8.2.1919, S. 3f</ref>}}
  
Desweiteren erklärt er eine neue Vorgehensweise zur Führung des Kirchenbuches. Brückner hat also zumindest hinsichtlich der Kirchenverwaltung nach dem 1. Weltkrieg eine maßgebende Rolle inne gehabt.
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Desweiteren erklärt er eine neue Vorgehensweise zur Führung des Kirchenbuches. Brückner hat also zumindest hinsichtlich der Kirchenverwaltung nach dem ersten Weltkrieg eine maßgebende Rolle inne gehabt.
  
 
Der Görlitzer Apostel Max Ecke hält Anfang 1921 in einem Schreiben an Niehaus dazu fest: {{Zitat|Daß auch Ap. Brückner damit gerechnet hat, daß er mal Ihr Amt übernehmen muß, das ist wohl möglich, denn erstens haben Sie, lieber Vater, das in früheren Jahren selbst mal durchblicken lassen hin und wieder, und auch der Ap. Bischoff hat seinerzeit, wo Sie mit Brückner in Amerika waren, wo Ap. Bischoff in Dresden einen großen Gottesdienst hielt nach Ps. 45, sehr hervorgehoben und das Wort betont: "Darum hat dich (Brückner) dein Gott mit Freudenöl mehr gesalbt, denn deine Gesellen (Apostel)." Das hob der l. Ap. Bischoff dort hervor, wo alle Vorsteher vom Dresdner Bezirk anwesend waren. Auch hat Ap. Bischoff wohl auch schon gesagt im Laufe der Zeit, kommt es mal zur Abstimmung für den Nachfolger Niehaus, dann wähle er nur Brückner.<ref>Ecke, M.: Brief an Niehaus vom 6. Januar 1921, Görliz. In: In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 15</ref>}}
 
Der Görlitzer Apostel Max Ecke hält Anfang 1921 in einem Schreiben an Niehaus dazu fest: {{Zitat|Daß auch Ap. Brückner damit gerechnet hat, daß er mal Ihr Amt übernehmen muß, das ist wohl möglich, denn erstens haben Sie, lieber Vater, das in früheren Jahren selbst mal durchblicken lassen hin und wieder, und auch der Ap. Bischoff hat seinerzeit, wo Sie mit Brückner in Amerika waren, wo Ap. Bischoff in Dresden einen großen Gottesdienst hielt nach Ps. 45, sehr hervorgehoben und das Wort betont: "Darum hat dich (Brückner) dein Gott mit Freudenöl mehr gesalbt, denn deine Gesellen (Apostel)." Das hob der l. Ap. Bischoff dort hervor, wo alle Vorsteher vom Dresdner Bezirk anwesend waren. Auch hat Ap. Bischoff wohl auch schon gesagt im Laufe der Zeit, kommt es mal zur Abstimmung für den Nachfolger Niehaus, dann wähle er nur Brückner.<ref>Ecke, M.: Brief an Niehaus vom 6. Januar 1921, Görliz. In: In: Witlof: Durch Nacht zum Licht, Dresden 1921, S. 15</ref>}}
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==Die Neuapostolische Rundschau und der Fall Mütschele==
 
==Die Neuapostolische Rundschau und der Fall Mütschele==
  
Exakt zum Ende des 1. Weltkriegs bricht in Stuttgart ein Konflikt zwischen dem Apostelhelfer [[Georg Paulus]] und Bischof [[Otto Müller]] einerseits und der damaligen Glaubenslehre unter dem zuständigen Apostel Johann Gottfried Bischoff andererseits aus. Paulus schreibt in einem Rundbrief in seinem Arbeitsbereich am 11. November 1918:
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Exakt zum Ende des ersten Weltkriegs bricht in Stuttgart ein Konflikt über die Glaubenslehre zwischen dem Apostelhelfer [[Georg Paulus]] und Bischof [[Otto Müller]] einerseits und dem zuständigen Apostel Johann Gottfried Bischoff andererseits aus. Paulus schreibt in einem Rundbrief in seinem Arbeitsbereich am 11. November 1918:
  
 
{{Zitat|Gott hat uns alle Sünden geschenkt. Diese Versöhnung ist einzig und allein auf die Opfertat Christi gegründet, nicht auf irgend einer Handlung, die mit uns vorgenommen ist, nicht auf die Zugehörigkeit der Gemeinschaft, nicht auf die Apostel, sondern sie ruht einzig und allein auf dem vollbrachten Opfer von Golgatha, das wir im Glauben ergriffen haben. Wer daran glaubt und seines Glaubens lebt, der ist gerecht. (...) Es gibt nur einen Weinstock und das ist Christus, daran sind alle Erlöste, die durch ihn zu neuem Leben erweckt sind, Reben.<ref>Paulus, G.: Rundbrief vom 11. November 1918, Stuttgart</ref>}}  
 
{{Zitat|Gott hat uns alle Sünden geschenkt. Diese Versöhnung ist einzig und allein auf die Opfertat Christi gegründet, nicht auf irgend einer Handlung, die mit uns vorgenommen ist, nicht auf die Zugehörigkeit der Gemeinschaft, nicht auf die Apostel, sondern sie ruht einzig und allein auf dem vollbrachten Opfer von Golgatha, das wir im Glauben ergriffen haben. Wer daran glaubt und seines Glaubens lebt, der ist gerecht. (...) Es gibt nur einen Weinstock und das ist Christus, daran sind alle Erlöste, die durch ihn zu neuem Leben erweckt sind, Reben.<ref>Paulus, G.: Rundbrief vom 11. November 1918, Stuttgart</ref>}}  
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Dieser Stuttgarter Konflikt ist noch nicht komplett erforscht. Aus dem Zitat geht jedoch hervor, dass Paulus die Mittlerfunktion der Apostel zwischen Gott und den Menschen ablehnt. Sowohl Brückner als auch Bischoff zeigen damals Verständnis für die Kritik.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil [Hrsg.], Dresden, o.J., S. 5f: "Mein herzlich geliebter Freund und Apostel Brückner! Ihren werten Brief mit Einlagen habe ich erhalten, besten Dank. Ich freue mich, daß Sie die Brüder nicht verurteilen, die in ihrem Seelenkampf sich nun zu einer freien Aussprache entschieden haben. Mag kommen, was da will. Die Brüder haben mit allem gerechnet, ja selbst soweit, daß sie Gefahr laufen, in die Klasse Niemeyer [Niemeyer trennte sich in den Jahren davor von Niehaus, Anm. MK] geworfen zu werden; aber sie wollten sich aussprechen, gehe es dann, wie es wolle. Die Brüder verstehen lernen, das ist nun unsere Aufgabe und wie Sie schreiben, dass es jetzt Zeit ist, unsere Fehler einzusehen, um es besser zu machen. Die Zeit ist gekommen und läßt sich nicht mehr aufhalten, daß den Brüdern Raum zur freien Aussprache gegeben wird, damit sie dasjenige, was sich in denselben bewegt, aussprechen können. Wir wollen doch zur Vollendung kommen als Erstlinge; aber was heißt das? Hat Jesus uns Apostel wirklich als Erstlinge bestätigt? Haben die Apostel sich in ihren Bezirken als Erstlinge durchgerungen? Mein lieber Freund und Apostel Brückner, diese Frage müssen wir uns beantworten, ernstlich beantworten; denn das sind wir Jesum schuldig, - wir sind es uns schuldig, - wir sind es den Brüdern schuldig, - wir sind es den Gemeinden schuldig, - wir sind es der Welt schuldig."</ref>
 
Dieser Stuttgarter Konflikt ist noch nicht komplett erforscht. Aus dem Zitat geht jedoch hervor, dass Paulus die Mittlerfunktion der Apostel zwischen Gott und den Menschen ablehnt. Sowohl Brückner als auch Bischoff zeigen damals Verständnis für die Kritik.<ref>vgl. Bischoff, J.G.: Brief an Brückner vom 26. September 1918. In: Die reformiert-apostolische Gemeinde, Bundeskonzil [Hrsg.], Dresden, o.J., S. 5f: "Mein herzlich geliebter Freund und Apostel Brückner! Ihren werten Brief mit Einlagen habe ich erhalten, besten Dank. Ich freue mich, daß Sie die Brüder nicht verurteilen, die in ihrem Seelenkampf sich nun zu einer freien Aussprache entschieden haben. Mag kommen, was da will. Die Brüder haben mit allem gerechnet, ja selbst soweit, daß sie Gefahr laufen, in die Klasse Niemeyer [Niemeyer trennte sich in den Jahren davor von Niehaus, Anm. MK] geworfen zu werden; aber sie wollten sich aussprechen, gehe es dann, wie es wolle. Die Brüder verstehen lernen, das ist nun unsere Aufgabe und wie Sie schreiben, dass es jetzt Zeit ist, unsere Fehler einzusehen, um es besser zu machen. Die Zeit ist gekommen und läßt sich nicht mehr aufhalten, daß den Brüdern Raum zur freien Aussprache gegeben wird, damit sie dasjenige, was sich in denselben bewegt, aussprechen können. Wir wollen doch zur Vollendung kommen als Erstlinge; aber was heißt das? Hat Jesus uns Apostel wirklich als Erstlinge bestätigt? Haben die Apostel sich in ihren Bezirken als Erstlinge durchgerungen? Mein lieber Freund und Apostel Brückner, diese Frage müssen wir uns beantworten, ernstlich beantworten; denn das sind wir Jesum schuldig, - wir sind es uns schuldig, - wir sind es den Brüdern schuldig, - wir sind es den Gemeinden schuldig, - wir sind es der Welt schuldig."</ref>
 
[[Datei:Karl_Wilhelm_Mütschele.jpg|thumb|Evangelist K.W. Mütschele]]
 
[[Datei:Karl_Wilhelm_Mütschele.jpg|thumb|Evangelist K.W. Mütschele]]
Der Evangelist [[Karl Wilhelm Mütschele]], der aus Stuttgart stammt und dort u.a. 1905 die neuapostolische Gemeinde Bad Cannstadt mitgegründet und als Vorsteher geleitet hatte, zieht nach dem 1. Weltkrieg aus bisher unbekannten Gründen nach Leipzig und beginnt dort als Redakteuer der Neuapostolischen Rundschau unter Brückner zu arbeiten. Mütschles Artikel stoßen auf Kritik, werden aber offenbar durch Brückner, der als Intelektueller gilt, lange gedeckt. - Welche Artikel dies genau sind und welche Gedanke sie enthalten ist ebenfalls noch nicht genau erforscht. Brückner selbst schreibt dazu später rückblickend:
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Der Evangelist [[Karl Wilhelm Mütschele]], der aus Stuttgart stammt und dort u.a. 1905 die neuapostolische Gemeinde Bad Cannstadt mitgegründet und als Vorsteher geleitet hatte, zieht nach dem ersten Weltkrieg aus bisher unbekannten Gründen nach Leipzig und beginnt dort als Redakteur der Neuapostolischen Rundschau unter Brückner zu arbeiten. Mütschles Artikel stoßen auf Kritik, werden aber offenbar durch Brückner, der als Intellektueller gilt, lange verteidigt. - Welche Artikel dies genau sind und welche Gedanke sie enthalten, ist ebenfalls noch nicht genau erforscht. Brückner selbst schreibt dazu später rückblickend:
  
 
{{Zitat|Der Anfang reicht zurück in die Neujahrsnummer 1919. Dort erschien ein Gedicht, "auf zum Kampf" aber ohne apostolische Betonung. Viele waren dadurch enttäuscht, so kunstvoll an und für sich auch das Gedicht war, was mit der dichertischen Begabung des Verfassers ja zu erklären ist. Dann aber ging es mit dem apostolischen Bekenntniss in der Rundschau rapid berabwärts. Der "Artikel über die vier Geistesämter" war im Grossen Ganzen noch als apostolisch anzusprechen, im übrigen aber wurde die Rundschau immer ärmer. Ueber die Gedanken zur Menschheitserlösung könnte ein ganzes Buch als Gegenzeugiss geschrieben werden. Das Märchen von [https://de.wikipedia.org/wiki/Meister_Pfriem "Meister Pfirem"] aus dem Schulbuche unserer Kinder entnommen, setzte aber allem bisher dagewesenen die Krone auf. Ein allgemeiner Widerwille entstand im Leserkreise, die doch ihr Geld nicht für Abdrucke aus Schulbüchern zahlen wollten, noch für alte methodistische Kalenerausschnitte, oder für Traktatartikel nach der landläufigen Art der Bahnhofsmissionen, u.s.w. Alles ein Schmücken mit fremden Federn, in der Rundschau, was nicht dem speziell apostolischen Geisteszug entsprach und Tausende Leser nicht befriedigen konnte. Dann die Ausfälle gegen die Wissenschaft, welche wir als ebenfalls von Gott gegeben nicht so abrupfen können als ob alle Forschung teuflisch sein müsse. Seit Monaten wurden nur noch Prrdigten abgedruckt, was doch nicht sein sollte, weil die Rundschau sollte kein Sonntagspredigtblatt sein. Als ich ich dem Uebelstand suchte abzuhelfen und unter "Hermes" mich aktiv produktiv betätigte, gongen meine Artikel gegen das Gewissen und gegen den Glauben des Herrn Schriftleiters.<ref>Brückner, C.A.: Cirkular Nr. 40, 30.11.1919, S. 3 f; Schreibfehler im Original. Zu berücksichtigen ist, dass Brückner im Nov. 1919 schon um seinen Ruf beim Stammapostel kämpft, was in dieses Schreiben eingeflossen sein könnte, Anm. MK</ref>}}
 
{{Zitat|Der Anfang reicht zurück in die Neujahrsnummer 1919. Dort erschien ein Gedicht, "auf zum Kampf" aber ohne apostolische Betonung. Viele waren dadurch enttäuscht, so kunstvoll an und für sich auch das Gedicht war, was mit der dichertischen Begabung des Verfassers ja zu erklären ist. Dann aber ging es mit dem apostolischen Bekenntniss in der Rundschau rapid berabwärts. Der "Artikel über die vier Geistesämter" war im Grossen Ganzen noch als apostolisch anzusprechen, im übrigen aber wurde die Rundschau immer ärmer. Ueber die Gedanken zur Menschheitserlösung könnte ein ganzes Buch als Gegenzeugiss geschrieben werden. Das Märchen von [https://de.wikipedia.org/wiki/Meister_Pfriem "Meister Pfirem"] aus dem Schulbuche unserer Kinder entnommen, setzte aber allem bisher dagewesenen die Krone auf. Ein allgemeiner Widerwille entstand im Leserkreise, die doch ihr Geld nicht für Abdrucke aus Schulbüchern zahlen wollten, noch für alte methodistische Kalenerausschnitte, oder für Traktatartikel nach der landläufigen Art der Bahnhofsmissionen, u.s.w. Alles ein Schmücken mit fremden Federn, in der Rundschau, was nicht dem speziell apostolischen Geisteszug entsprach und Tausende Leser nicht befriedigen konnte. Dann die Ausfälle gegen die Wissenschaft, welche wir als ebenfalls von Gott gegeben nicht so abrupfen können als ob alle Forschung teuflisch sein müsse. Seit Monaten wurden nur noch Prrdigten abgedruckt, was doch nicht sein sollte, weil die Rundschau sollte kein Sonntagspredigtblatt sein. Als ich ich dem Uebelstand suchte abzuhelfen und unter "Hermes" mich aktiv produktiv betätigte, gongen meine Artikel gegen das Gewissen und gegen den Glauben des Herrn Schriftleiters.<ref>Brückner, C.A.: Cirkular Nr. 40, 30.11.1919, S. 3 f; Schreibfehler im Original. Zu berücksichtigen ist, dass Brückner im Nov. 1919 schon um seinen Ruf beim Stammapostel kämpft, was in dieses Schreiben eingeflossen sein könnte, Anm. MK</ref>}}
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{{Zitat|Wenn ich den Berichten in den Tagesblättern glauben soll, so müssen die allgemeinen Zustände in Deutschland noch besorgniserregender sein als während des Krieges, auch was die Ernährung betrifft. (…) Auch der Inhalt der Rundschau muß nach meiner gemachten Erfahrung bezwecken, die Ermüdeten aufzurichten und die Betrübten zu trösten, was auch nicht durch lange Auseinandersetzungen von biblischen Geschichten geschehen kann, (so interessant und kunstvoll dies auch sein mag); denn es werden zu viel der Worte gemacht und zu wenig praktischer Gebrauch im Leben. Zu leicht kann dadurch auch eine Nichtbefriedigung zustande kommen.<ref>Oosbree, H.v.: Brief an Stammapostel Niehaus. In: Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 14, Frankfurt a.M. 17.3.1919, S. 3f</ref>}}
 
{{Zitat|Wenn ich den Berichten in den Tagesblättern glauben soll, so müssen die allgemeinen Zustände in Deutschland noch besorgniserregender sein als während des Krieges, auch was die Ernährung betrifft. (…) Auch der Inhalt der Rundschau muß nach meiner gemachten Erfahrung bezwecken, die Ermüdeten aufzurichten und die Betrübten zu trösten, was auch nicht durch lange Auseinandersetzungen von biblischen Geschichten geschehen kann, (so interessant und kunstvoll dies auch sein mag); denn es werden zu viel der Worte gemacht und zu wenig praktischer Gebrauch im Leben. Zu leicht kann dadurch auch eine Nichtbefriedigung zustande kommen.<ref>Oosbree, H.v.: Brief an Stammapostel Niehaus. In: Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 14, Frankfurt a.M. 17.3.1919, S. 3f</ref>}}
  
Oosbree, der viel später für eine liberale Haltung stehen wird, scheint in dieser Zeit interessanterweise dem endzeitlichen Gedanken nahezustehen. Am 22. Juni 1919 predigt der niederländische Apostel in Amsterdam über die trennscharfe Bibelstelle Johannes 4,1-6 u.a.:  
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Oosbree, der viel später für eine liberale Haltung stehen wird, scheint in dieser Zeit interessanterweise dem endzeitlichen Gedanken nahezustehen. Am 22. Juni 1919 predigt der niederländische Apostel in Amsterdam über die Bibelstelle Johannes 4,1-6 u.a.:  
  
 
{{Zitat|Die Apostolischen sollen besonders in der Gegenwart, in dieser letzten Zeit, in der wir uns befinden (denn daß wir uns in der letzten Zeit befinden, dessen könnt ihr versichert sein) mehr und mehr in der wahrhaftigen Erkenntnis des empfangenen ‚Lebens‘ zunehmen, weil sie als ‚Heilande‘, die auf dem Berge Zion werden geboren, gebraucht werden sollen.“ <ref>zitiert nach Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 26, Frankfurt a.M. 11.8.1919</ref>}}
 
{{Zitat|Die Apostolischen sollen besonders in der Gegenwart, in dieser letzten Zeit, in der wir uns befinden (denn daß wir uns in der letzten Zeit befinden, dessen könnt ihr versichert sein) mehr und mehr in der wahrhaftigen Erkenntnis des empfangenen ‚Lebens‘ zunehmen, weil sie als ‚Heilande‘, die auf dem Berge Zion werden geboren, gebraucht werden sollen.“ <ref>zitiert nach Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 26, Frankfurt a.M. 11.8.1919</ref>}}
  
Für das Verständnis der Brückner-Konfliktes bzw. dem Schisma von 1921 ist es also wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass Teile der Apostel nach dem 1. Weltkrieg die Zeit für das Kommen des Herrn für gekommen ansahen - und andere nicht.
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Für das Verständnis der Brückner-Konfliktes bzw. dem Schisma von 1921 ist es also wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass Teile der Apostel nach dem ersten Weltkrieg die Zeit für das Kommen des Herrn für gekommen ansahen - und andere nicht.
  
Der Stuttgarter Konflikt führt im Sommer 1919 schließlich zur Trennung der Paulus/Müller-Fraktion, insbesondere der Gemeinde in der Olgastraße, von der neuapostolischen Seite. Mit Rundschreiben vom 25. August 1919 informiert Bischoff die Amtsträger in seinem Apostelbezirk:  
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Der Stuttgarter Konflikt führt im Sommer 1919 schließlich zur Trennung der Paulus/Müller-Fraktion, insbesondere der Gemeinde in der Stuttgarter Olgastraße, von der Neuapostolischen Gemeinde. Mit Rundschreiben vom 25. August 1919 informiert Bischoff die Amtsträger in seinem Apostelbezirk:  
  
 
{{Zitat|Wie Ihr lieben Brüder wohl wisset, ist ja Herr Paulus und Müller in Stuttgart am 3. August von mir gegangen. Ein weiteres Zusammenarbeiten war unmöglich geworden und so habe ich nach Abrahamsweise die Scheidung bewirkt, denn um Glaubensbegriffe streite ich nicht. (…) Die Gottesdienste finden in Stuttgart wie seither in der Rosenbergstraße statt. Herr Paulus und Müller sind keine Vorsteher mehr. (…) In der Olgastraße ist von uns vorerst kein Gottesdienst mehr.<ref>Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 27, Frankfurt a.M. 25.8.1919</ref>}}
 
{{Zitat|Wie Ihr lieben Brüder wohl wisset, ist ja Herr Paulus und Müller in Stuttgart am 3. August von mir gegangen. Ein weiteres Zusammenarbeiten war unmöglich geworden und so habe ich nach Abrahamsweise die Scheidung bewirkt, denn um Glaubensbegriffe streite ich nicht. (…) Die Gottesdienste finden in Stuttgart wie seither in der Rosenbergstraße statt. Herr Paulus und Müller sind keine Vorsteher mehr. (…) In der Olgastraße ist von uns vorerst kein Gottesdienst mehr.<ref>Bischoff, J.G.: Rundbrief C.B. Nr. 27, Frankfurt a.M. 25.8.1919</ref>}}

Version vom 7. März 2017, 15:32 Uhr