Neuapostolische Kirche im Nationalsozialismus

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Der Artikel Neuapostolische Kirche im Dritten Reich beschäftigt sich mit der Geschichte und dem Verhalten der Neuapostolischen Kirche in Deutschland in der Zeit von 1933-1945.

Einleitung

Wie viele andere kleine Organisationen und Vereine ging auch die Neuapostolische Kirche mit dem nationalsozialistischen Regime Kompromisse ein, um nicht verboten oder verfolgt zu werden. Wenn auch die christlichen Grundsätze der Neuapostolischen Kirche dem Weltbild des Nationalsozialismus grundlegend widersprachen, so wurde sie dennoch nicht wie viele andere Glaubensgemeinschaften verboten oder gar verfolgt. In welchem Umfang nationalsozialistische Ansichten verbreitet und die Einstellung angepasst wurde, und ob dies aus Angst vor Repressalien oder aus eigenem Antrieb geschah, ist bis heute Streitpunkt zwischen Mitgliedern und Kritikern der Kirche.

Die Geschichte der Neuapostolischen Kirche im sogenannten Dritten Reich wurde, wie in fast allen anderen Religionsgemeinschaften, ambivaltenten Verhaltensweisen geprägt. So erscheinen hier freiwillige und erzwungene Anpassung, Anbiederung, Unterstützung, passiver und aktiver Widerstand gegenüber dem NS-Regime nebeneinander.

Rückblick

Das Verhalten der Neuapostolischen Kirche 1933-1945 kann nicht ohne den sozialogischen Hintergrund verstanden werden. So verstand sich die Kirche damals schon als politisch neutral, aber staatstreu. Insbesondere unter Stammapostel Niehaus wurde die (preußische) Regierung, das preußische Kaiserreich als gottgewollt angesehen und man ordnete sich diesem freiwillig unter. Insbesondere der Gedanke eines Gottesgnadentums der Regentschaft, welcher auch schon in der katholisch-apostolischen Gemeinde vorhanden war, wurde hier gepflegt. Unter Stammapostel Niehaus sah man im Deutschen Kaiser einen gottgesandten Monarchen und somit umfasste der Glaubensgehorsam auch, sich der Regierung zu beugen. Die preußische Monarchie war sein Idealbild für einen erfolgreich geführten Staat. Demokratischen Tendenzen, inner- wie ausserkirchlich, steht er auch öffentlich ablehnend gegenüber. So schreibt er in den "Allgemeinen Hausregeln":

„Personen, welche Verächter der politischen und religiösen Einrichtungen des Staates und der bürgerlichen Gemeinde sind, welche umstürzlerischen, staatsfeindlichen Bestrebungen huldigen oder Verbindungen angehören, welche solche auf ihre Fahne geschrieben haben, können nicht Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinde werden."(Allgemeine Hausregeln nebst Glaubensbekenntnis für die Ämter und Mitglieder der Neuapostolischen Gemeinden Deutschland, Leipzig 1908)

Ereignisse des Jahres 1933

Im Jahre 1933 wurden alle Neuapostolischen Gemeinden verboten.(Beleg) Der damalige zum Stammapostel berufene Johann Gottfried Bischoff versuchte, gute Beziehungen zum nationalsozialistischen Regime aufzubauen, um die Aufhebung eines Teiles der Verbote zu erwirken. Hier stehen somit exestienzielle Fragen und Überlebensstrategien im Vordergrund. Nicht vergessen werden darf, dass das damalige Hauptverbreitungsgebiet der Neuapostolischen Kirche in Deutschland lag. Bischoff sah sich somit mit der Frage konfrontiert in den Untergrund zu gehen oder sich anzupassen. Er wählte, wohl aus dem traditionellen Motiv der Regierungs- und Staatstreue heraus, die Anpassung.

Jedoch hielt es die NS-Politiker nicht auf im Laufe der Zeit immer wieder einzelne Gemeinden zu schliessen. Auch wurden die Gottesdienste regelmässig von der Gestapo besucht und überwacht.

Anpassung

In der Folge der Kirchen- und Religionspolitik der Nationalsozialisten wurde innerkirchlich eine Strategie der Anpassung gwählt. Hierbei muss zwischen freiwilliger Anpassung und der erwzungenen Anpassung

freiwillige Anpassung

Wir finden in der Neuapostolischen Kirche Schritte, in denen sich freiwillig angepasst wurde. So erklärte Stammapostel Bischoff in einem Rundschreiben an die Amtsträger vom 25. April 1933, dass es bei Eintrittsgesuchen von Mitgliedern gut sein werde, „die Personalien solcher Personen der zuständigen Ortsgruppe der NSDAP zur Nachprüfung vorzulegen“ und ihre Aufnahme erst nach dem Vorliegen einer Unbedenklichkeitserklärung der NSDAP zu vollziehen. Hierrin jedoch kann wiederum die Fortführung der alten, niehausschen Staatstreue gesehen werden. Der inhaltlich wird hier die Linie der Hausregeln von 1908 fortgesetzt, wenn auch zugespitzt auf das NS-Regime und seine Organe. Inwieweit diese Aussage als propandagistisch gegenüber dem NS-System gewertet werden kann und wie dies auch in der Praxis gehandhabt wurde, muss hier offen bleiben.

Ferner kann hier exemplarisch noch erwähnt werden, dass der Titel der kircheneigenen Zeitschrift "Wächterstimme aus Zion" Anfang 1934 auf "Wächterstimme" geändert wurde. Die Streichung des hebräischen Wortes „(aus)Zion“ kann hier ebenfalls als Massnahme der freiwilligen Anpassung gesehen werden.

erzwungene Anpassung

Al Beispiele der erzwungenen Anpassung finden sich Pflichtbeiträge und Propagandaartikel mit nationalsozialistischem Tenor in den kircheneigenen Publikationen. (Diese musste auf Grund des Gesetzes ...??? veröffentlicht werden) In der kircheneigenen Zeitschrift (Unsere Familie?) wurde 1940 anlässlich eines Reiseberichtes von Bischoff Sätze gedruckt wie: „Schwarze und Juden steigen auf der sozialen Leiter immer höher, sie verdrängen mit ihrer billigen Arbeitskraft den besser bezahlten Weißen auch aus Stellungen, die dem Weißen allein zustehen sollten … Das farbige Element ist zum Angriff übergegangen … Mit Berechtigung haben wir alles das, was dem Volke im Kino, Theater und Literatur als das Produkt einer jüdisch-marxistischen Klique geboten wurde, abgelehnt.“[23] Und später im selben Jahr hieß es: „Wohl hat sich der Weiße noch eine bestimmte Vorherrschaft erhalten können, sie ist aber stark ins Wanken geraten, und sie wird noch immer mehr ins Wanken kommen, je mehr der Jude Einfluß gewinnt, denn es ist sein Ziel, die Völker zu zersplittern, sie niederzuhalten und sie auszubeuten.“[24]

Weiterhin sollte jeder Gottesdienst - laut Amtsauflage - in jener Zeit mit einem „Heil Hitler“ enden. Es muss angemerkt werden, dass sich nicht alle Gemeindevorsteher (gerade in ländlichen Gebieten) den Vorschriften gebeugt haben.


Anbiederung

So schrieb Müller-Scheld, der Leiter der Landesstelle Hessen-Nassau im Reichsministerium für Propaganda und ein Mitarbeiter Joseph Goebbels', in einem Empfehlungsschreiben für Bischoff: „Friedrich Bischoff ist Parteigenosse, mir seit Jahren bekannt und politisch und menschlich absolut zuverlässig.“[22] Am Tag von Potsdam predigte Bischoff, dass jetzt der von Gott gesandte Führer gekommen sei. Den Text der Ansprache ließ er in die Reichskanzlei schicken.(BELEG!?)

Selbst dem Naziregime, vornehmlich der Reichsführer SS und Chef des Sicherheitshauptamtes, sieht die Neuapostolische Kirche offenbar als eine suspekte, nicht einzuordnende, weil unpolitische Bewegung. Er schreibt 1937 in dem geheimen „Leitheft über die Neuapostolische Gemeinde e.V.: „Man darf sich durch derartige Äußerlichkeiten nicht täuschen lassen, zumal seitens der Leitung mit diesen eifrig Propaganda gemacht wird. Trotz dieser Äußerlichkeiten ist die Neuapostolische Gemeinde weltanschaulich wegen ihrer internationalen Einstellung und wegen ihres die Volksgemeinschaft zerstörenden Charakters als Gegner anzusehen.“(Der Reichsführer SS: Leitheft über die Neuapostolische Gemeinde. Geheime Verschlusssache Nr. 52, 1937) Die Einstellung wird also als „international“ eingeschätzt, nicht als „national“ - somit im Sinne der NS-Ideologie als tendenziell-staatsgefährdend und zersetzend.


Unterstützung

Auch wird sich, sicherlich, insbesondere in den Anfangsjahren des NS-Regimes bis Mitte der 1930er Jahre, in Teilen der neuapostolischen Gemeinden auch etliche Anhänger des Regimes gefunden haben. Nachdem die antichristliche und antikirchliche Gesinnung des NS-Regimes immer offensichtlicher wurde, wird auch der Rückhalt in den Reihen der Mitglieder der Neuapostolischen Kirche zusammengeborchen oder gesunken sein.

Widerstand

Auch gab es durch die Kirchenleitung und neuapostolische Gemeindemitglieder Widerstand gegen die Einflussnahme auf der NS-Regierung auf die Kirche und die nationalsozialistische Politik allgemein.

passiver Widerstand

Jedoch wurde sowohl von der Kirchenleitung als auch einzelnen Gemeindemitgliedern passiver Widerstand gegen den NS-Staat geleistet. Als ein solches müssen z.B. kirchliche Richtlinien gesehen werden, die ein politisches Verhalten der Amtsträger untersagten. So heißt es auszugsweise in den „Richtlinien für die Amtsträger der Neuapostolischen Kirche“ aus 1933:

„Auch sollen sich die Amtsbrüder besonders davor hüten, von Politik etwas zu erwähnen oder in die Politik einzugreifen und die Geschwister darin in irgend einer Weise zu beeinflussen. Die Neuapostolische Kirche treibt keine Politik. Jesus lehnte jeden Eingriff seinerseits in die Politik ab; ebenso sollen es auch seine Diener tun. (...) Die Kirche Christi muss über den Parteien stehen und für jede Gnade und Heil suchende Seele eine offene Tür haben.“ (Richtlinien über die Amtshandlungen der Amtsträger der Neuapostolischen Kirche. Verlag Friedrich Bischoff, Frankfurt 1933)

Insbesondere auf dem Hintergrund der, die Partei (NSDAP) über alles stellenden, Gleichschaltungspolitik der NS-Regierung, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens mit ihren Parteigliederungen beherrschen wollte, kann eine solche kirchliche Aussage schon als passiver Widerstand dagegen gewertet werden.

aktiver Widerstand

Aus einzelnen Gemeinden wird berichtet, dass man jüdisch-stämmige Gemeindemitglieder deckte, auch jüdischen Mitbürgern half oder gar versteckte. Apostel (Schneider?) soll regelmässig nachts Flüchtlinge über den Rhein gerudert haben. Auch ist überliefert, dass man Zwangsarbeiter illegal mit Essen versorgte.

Kritik

Stoffel führt aus, die oben beschriebene Haltung im Nationalsozialismus sei von der Kirchenleitung nie kritisch reflektiert, sondern geschönt worden.[25]


Nach Schilderung der NAK sei es unter größten Schwierigkeiten gelungen, einen Teil dieser Verbote rückgängig zu machen. Darauf würden auch die anderen gegen die NAK ergriffenen Maßnahmen hinweisen: Die Nazi-Regierung habe die NAK mit ungewöhnlich hohen Steuern belastet, die Betreuung der Jugend sei unterdrückt worden, der Kauf von Grundstücken und der Bau von Kapellen abgelehnt worden, die Opfer durften nicht mehr erhoben werden, das Erscheinen der kircheneigenen Zeitschriften sei verboten worden, Bibeln und Gesangbücher hätten nicht mehr gedruckt werden dürfen. Die zur Gemeinde gehörenden Mitglieder jüdischer Abstammung seien nicht abgestoßen, sondern in jeder nur möglichen Weise unterstützt worden.[26]

Haltung heute

Diese Haltung wurde unter anderem 1996 von damaligen Stammapostel Fehr erläutert und 2003 vom Sprecher der Öffentlichkeitsarbeit Peter Johanning bei einem Vortrag weiter ausgeführt. Johanning gab einen Artikel aus dem „Jugendfreund“ vom Juli 1933 wieder, worin schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers zur „Untertanentreue“ aufgerufen wurde. Durch den Verweis auf Sir 10 EU legitimiere der Text das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. „Man mag das heute als naiv empfinden, die Zeit damals brachte andere Schlussfolgerungen zu Tage.“ In jener Zeit seien die kirchlichen Amtsträger in den Richtlinien von 1933 zur politischen Enthaltung aufgerufen worden. „Dieses Bekenntnis zur unpolitischen Arbeit der Kirche“ habe „unmissverständlich die Idealvorstellung der Kirchenleitung“ signalisiert, „sich jeglicher politischer Stellungnahme zu enthalten, auch wenn die Realität hier und da anders ausgesehen“ habe. Im weiteren gab der Pressesprecher dann die Ausführungen Stammapostel Richard Fehrs von 1996 zu diesem Thema wieder, wonach die Anpassung der Kirchenleitung zu dem Zweck geschehen sei, um „der Verkündigung des Evangeliums weiter nachkommen zu können.“